BSZ vom 8.12.04:
Ein Zentrum im Zentrum

Bewegung in Bochum

Ab Januar wird es in der Bochumer Innenstadt ein Soziales
Zentrum geben. Damit wird realisiert, wovon in Bochum viele
geträumt haben: Ein unkommerzieller und selbstbestimmter Raum im Herzen
der Stadt. Doch damit das Projekt sich auf Dauer etablieren kann, sind noch
viele helfende Hände nötig.
Bekannt wurden Soziale Zentren in Deutschland vor allem durch den
G8-Gipfel in Genua (Italien) 2001. Hier bildeten die „centri sociali“ die
Basis für den globalisierungskritischen Widerstand. Auch in Bochum soll das
soziale Zentrum ein Ausgangspunkt für gesellschaftliche Interventionen sein
und (politischen) Gruppen ein zu Hause geben. „Dass wir das Projekt soziales
Zentrum nennen, hat aber eine andere Ursache: Hiermit wollen wir eine Offen-
heit transportieren, die bei den so genannten Autonomen Zentren oder Infoläden einfach
nicht gegeben ist“, erklärt ein Mitglied des Vorbereitungskreises.
Gelebte Utopie?
Im Sozialen Zentrum soll die gegenseitige Hilfe und Kooperation im Vordergrund
stehen. Es klingt ein wenig nach dem alten Ton Stein Scherben Song „Allein machen sie
dich ein“, wenn die Leute vom sozialen Zentrum über ihr Projekt sprechen. Zusammen
geht halt alles besser, auch wenn es manchmal anstrengend ist. Ihnen ist allerdings
schon bewusst, dass schon viele Projekte an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert sind.
„Klar wollen wir uns möglichst ohne Hierarchien organisieren“, doch viel mehr ginge es
darum, einen möglichst wirtlichen Raum zur Selbstaufklärung zu schaffen.
Im sozialen Zentrum will sich keineR auf einen Weltgeist der Geschichte verlassen, der es
richten soll. Letztendlich entscheiden die beteiligten Gruppen, auf welchen Feldern sie sich
engagieren. Nur durch Vernetzung kann eine relevante gesellschaftliche Gegenmacht
entstehen, die weder die Hände in den Schoß legt, noch sich Illusionen hingibt. Utopien
sind schließlich auch dazu da, althergebrachte Ordnungen zu hinterfragen, statt sich so
genannten Sachzwängen zu unterwerfen.
Kleine Lokalgeschichte
In Bochum gab es schon länger Zentrumsbewegungen. Älteren Semestern ist vielleicht
noch die Fabrik in Erinnerung. Auch der Bahnhof-Langendreer als sozio-kulturelles
Zentrum wurde einst von der lokalen Szene besetzt und schließlich etabliert. Im Jahr 2000
gab es den letzten Versuch ein Zentrum zu besetzen. Hier sollte in der Alten Feuerwache
ein Antirassistisches Zentrum entstehen. Die Stadt war von dieser Idee überhaupt nicht
angetan und ließ die BesetzerInnen von der Polizei räumen und das Gebäude ungenutzt
verfallen. Von da an war klar, dass von der Stadt Bochum nichts zu erwarten ist (siehe bsz
636).
Fast nichts ist unmöglich
Das neue Soziale Zentrum entsteht quasi aus dem Nichts. Der Wunsch war zwar
latent bei vielen vorhanden, doch es fehlte das Geld und ein geeignetes Gebäude. Nachdem
ein passendes Lokal fast per Zufall gefunden wurde, fanden sich schnell ein paar Leute,
die die Sache in die Hand nahmen. Der freiraum e.V. als Trägerverein wurde in kürzester
Zeit um rund 70 Mitglieder größer, und somit ist ein Teil der Miete durch die
Mitgliedsbeiträge gesichert.
Glücklicherweise wurden Untermieter gefunden, so dass die Miete nicht allein
vom freiraum e.V. getragen werden muss. Trotz Untermieter bleibt noch genügend
Platz. In dem größten Raum soll ein Veranstaltungscafé geschaffen werden. Es
stehen noch drei weitere Räume zur Verfügung. Die Nutzung ist nur soweit klar,
dass es einen Gruppenraum und ein Büro geben soll. Das Büro soll für das Soziale
Zentrum genutzt werden und Gruppen oder Einzelpersonen die Möglichkeit geben,
einen Computer und ähnliches zu nutzen. Alles Weitere soll im Januar geklärt werden,
nachdem sich möglichst viele Leute ein Bild vor Ort gemacht haben. Hierfür gibt es
schon für alle Interessierten einen Termin: Am 7. Januar 2005 kann der Laden
ab 18 Uhr besichtigt werden. Um 19 Uhr soll dann das erste „offizielle“ Plenum
im Sozialen Zentrum stattfinden. Bis dahin finden die Vorbreitungstreffen jeden
Freitag pünktlich um 19 Uhr im Bahnhof Langendreer statt.
Viele, viele Hände
Dass in kurzer Zeit so viele zahlende Mitglieder zusammengekommen sind, freut
den Vorbereitungskreis ungemein. „Wir möchten allen danken, die monatlich ihren
kleinen oder größeren materiellen Beitrag leisten, aber wir hoffen natürlich, dass
es noch mehr werden. Nur so können wir unabhängig agieren“, heißt es aus dem
Vorbereitungskreis. Wer möchte, erhält ein Beitrittsformular im AStA-Service-Referat
oder zum Ausdrucken auf
www.bo-alternativ.de/freiraum.
Das Soziale Zentrum will kein ehrenamtliches Dienstleistungsunternehmen
sein. Die NutzerInnen sollen nach Möglichkeit auch die MacherInnen des Projekts sein.
Besonders in der Renovierungs- und Einrichtungsphase ist das soziale Zentrum
auf handwerklich geschickte Hände und (Sach-)spenden aller Art angewiesen.