RSA 2000
September 2000
09/00
Anti-Rassismus-Konferenz in Johannesburg
Präsident Mbeki eröffnete in Johannesburg eine mehrtägige nationale Rassismuskonferenz, die von der Menschenrechtskommission (South African Human Rights Commission) veranstaltet worden war. Angesichts des immer noch tief verwurzelten Rassismus hatte der Präsident die Konferenz bereits in seiner Regierungserklärung vom 4. Februar (siehe "RSA 2000", Nr. 2/00) angekündigt. Das Treffen diente auch der Vorbereitung einer internationalen Rassismuskonferenz, die im kommenden Jahr im September in Südafrika stattfinden wird.
Mehr als 1000 Teilnehmer aus allen Kreisen der südafrikanischen Gesellschaft sowie aus dem Ausland befassten sich vom 30. August bis zum 2. September 2000 mit
Geschichte, Wesen und Ursprung des Rassismus, den Folgen, Auswirkungen und zeitgenössischen Erscheinungsformen, sowie mit Strategien zu seiner Bekämpfung.
Empfehlungen der Konferenz
Die Konferenz sprach die Empfehlung aus, dass die südafrikanische Regierung die kommenden zehn Jahre zu einer Dekade der Bewegung gegen Rassismus erklären sollte. Der 16. Dezember, bisher „Tag der Versöhnung", soll als „Tag der Versöhnung der Rassen" gefeiert werden. Außerdem wurde die Gründung einer antirassistischen Bewegung in allen Teilen der Bevölkerung gefordert. Ein nationales Programm für antirassistisches Training soll vor allen Dingen auf die Medien, die Justiz und die Wirtschaft abzielen.
Die Rede des Präsidenten
In seiner einleitenden Rede sagte Präsident Mbeki, die öffentliche Diskussion der vergangenen Monate habe gezeigt, dass Rassismus eins der umstrittensten Probleme in Südafrika sei. Es habe keinen Sinn, diese Diskussion zu verschieben, denn dies könne den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden.
Der Präsident sagte, dass über die folgenden Kennzeichen des Rassismus in Südafrika weitgehender Konsens bestehe:
· Rassismus ist unmenschlich und stellt eine grobe Verletzung der Menschenrechte dar.
· In der Praxis der vergangenen Jahrhunderte waren Schwarze eher die Opfer als die Täter. Dementsprechend hat man es in Südafrika mit einem Rassismus der Weißen gegenüber Schwarzen zu tun, während in keiner Weise Tendenzen zu einem Rassismus von Schwarzen gegenüber Weißen geduldet werden dürfen, seien sie nun wirklich oder potenziell vorhanden, und das Gleiche gilt für Antisemitismus.
· Rassismus manifestiert sich sowohl als Ideologie, als auch auf sozioökonomischem Gebiet, nämlich durch das soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Kräftespiel der Unterdrückung und Diskriminierung der Opfer des Rassismus.
· Jahrhunderte lang wurde die Struktur der Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen durch den Rassismus bestimmt.
· Das Erbe des Rassismus ist so tief verwurzelt, dass es noch keinem Land auf der Welt gelungen ist, eine nicht-rassische Gesellschaft zu erschaffen. Das Wiederaufleben von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit als Teil der gegenwärtigen sozialen und politischen Realität in einigen der entwickelten Länder des Nordens ist äußerst beunruhigend.
· Die weltweite Erfahrung hat gezeigt, dass die Schaffung von verfassungsmäßigen und rechtlichen Rahmenbedingungen zur Unterdrückung des Rassismus notwendig ist, dass sie aber nicht ausreichen, um diese Verletzung der Menschenrechte zu beenden. Dementsprechend ist ein durch Verfassung und Gesetz garantiertes Recht auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung sehr wichtig im Kampf gegen Rassismus. Ebenso wichtig ist das Recht auf Wiedergutmachung in Fällen solcher Diskriminierung. Gleichzeitig ist die Schaffung der sozioökonomischen Bedingungen, die es ermöglichen, eine solche Gleichheit zu erreichen, fundamental für die Verwirklichung dieses in der Verfassung und in den Gesetzen garantierten Rechts auf Gleichheit.
Rassismus in Südafrika
Zur Lage in Südafrika äußerte sich der Präsident wie folgt:
"Seit die holländischen Einwanderer sich am Kap der Guten Hoffnung niederließen,
war Rassismus immer ein fundamentales Organisationsprinzip in den Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen in unserem Land."
Als die dominierende Gruppe habe die weiße Minderheit danach gestrebt, alle Aspekte des Lebens so zu strukturieren, dass die Weißen die schwarze Mehrheit immer beherrschen würden.
Die rassistische Ideologie sei unverhohlen und konsequent als offizielle Staatspolitik übernommen worden. Infolgedessen sei alles in der südafrikanischen Gesellschaft nach den Kriterien der Rasse und Hautfarbe bestimmt worden: Reichtum, Einkommen, Armut, Krankheit, Grundbesitz, Fertigkeiten, Berufe, intellektuelle Ressourcen und Chancen für das persönliche Weiterkommen – sogar die Aufteilung der Wohngebiete.
Diese Willkürherrschaft habe dem Selbstrespekt, Stolz und Identitätsgefühl der Opfer dieser Ideologie Schaden zugefügt. Es werde einige Zeit dauern, mit diesem Erbe fertig zu werden, sagte Präsident Mbeki.
Der Kampf, den die schwarze Mehrheit, mit der Unterstützung einiger Weißer mit edlen Grundsätzen und mit dem Rest der Welt, gegen Kolonialismus und Apartheid geführt habe, habe in erster Linie die Beendigung der Willkürherrschaft von Weißen über Schwarze zum Ziel gehabt sowie die Gleichheit aller Südafrikaner in allen Lebensbereichen und Tätigkeitsfeldern. In der Verfassung und den Gesetzen sei das Ziel der Schaffung eines nichtrassischen Staates festgeschrieben. Infolgedessen sei die südafrikanische Gesellschaft als Ganzes dazu verpflichtet, diesem Ziel nachzustreben, als eine nationale Aufgabe, über die Konsens bestehe und die über alles kleinlich Parteiische hinausgehe.
Der Präsident führte aus, dass Rassismus auch nach der Demokratisierung von 1994 weiterhin zum täglichen Leben gehöre. Alle Südafrikaner stünden daher vor der Aufgabe, den Traum von einer nichtrassischen Gesellschaft Realität werden zu lassen.
Dabei müsse man bedenken, dass Südafrika eine multirassische und multikulturelle Gesellschaft sei, entstanden und konditioniert durch eine Politik und Praxis, welche die Unterschiede zwischen diesen rassischen und kulturellen Gruppen betont habe, anstelle der Gemeinsamkeiten als menschliche Wesen, die seit vielen Jahren zusammen in Südafrika lebten.
Präsident Mbeki sagte, dass viele Menschen auf der Welt zusammen mit der südafrikanischen Regierung davon überzeugt seien, dass Südafrika aufgrund seiner besonderen Geschichte einen wichtigen Beitrag zu dem weltweiten Kampf gegen die Geißel des Rassismus leisten könne.
Die Demokratisierung und die Aufarbeitung des Unrechts des Apartheidregimes habe ohne Rassenkrieg und im Geist der Versöhnung stattgefunden, und hierfür bewundere die Welt Südafrika. Dieses "Wunder" der Umgestaltung sei möglich gewesen, weil Millionen Südafrikaner begriffen hätten, dass sie alle voneinander abhängige Nachbarn seien, und weil über viele Jahre hinweg das Bewusstsein gewachsen sei, dass schwarze Willkürherrschaft genau so schlecht sei wie weiße Willkürherrschaft.
Der Präsident erklärte, er sei fest davon überzeugt, "dass wir mit Zuversicht behaupten können, dass wir den Dämon Rassismus tatsächlich besiegen werden, gerade weil wir uns auf dieselben Faktoren verlassen können, die den friedlichen Übergang ermöglicht haben."
Eine besondere Verpflichtung für die weißen Südafrikaner
Rassismus müsse als ein Problem behandelt werden, das schwarze Menschen und weiße Menschen herausfordere. Offensichtlich mache es keinen Sinn zu behaupten, dass die Verantwortung für die Ausrottung des Rassismus bei den Opfern des Rassismus liege.
"Der weiße Teil unserer Bevölkerung hat die besondere Verpflichtung, die Realität des Rassismus freiwillig selbst anzuerkennen, nicht um irgendein Schuldgefühl zu besänftigen, sondern um einen Beitrag zu der vielversprechenden Zukunft unseres Landes zu leisten. Dies kann gar nicht stark genug betont werden. ... Wir können in dem Kampf gegen Rassismus niemals siegen, wenn sich nicht die Weißen in unserer Bevölkerung ihren schwarzen Mitbürgern in dem gemeinsamen Bestreben anschließen, unsere Gesellschaft in eine nichtrassische Gesellschaft zu verwandeln."
Viele der weißen Landsleute sagten zu Recht, dass sie nicht für Rassismus und Apartheid verantwortlich gewesen seien. Aber Rassismus habe nun einmal die südafrikanische Gesellschaft in einer solchen Weise strukturiert, dass die unterdrückten Schwarzen keine Möglichkeit gehabt hätten, zwischen jenen zu unterscheiden, die bereit gewesen seien, das rassistische System durchzusetzen, und denjenigen, die unfreiwillige Nutznießer des Rassismus gewesen seien.
Durch den Rassismus seien die Menschen durch das Gesetz auf der Grundlage der Rasse miteinander verbunden worden, und sie hätten ein vereinigtes Ganzes in bezug auf die Opfer des Rassismus gebildet. Die Opfer des Rassismus sähen sich also notgedrungen einer solchen zusammenhängenden Einheit gegenüber.
"In diesem Zusammenhang müssen wir auch die Tatsache anerkennen, dass während einer sehr langen Zeit des Kampfes gegen den Rassismus nur sehr wenige unserer weißen Landsleute mit dem System der Apartheid gebrochen haben, um sich den schwarzen Millionen anzuschließen, die gegen die rassistische Herrschaft rebelliert haben," erläuterte der Präsident.
Die Zukunftserwartungen
Viele Menschen der weißen Gesellschaft hätten Zukunftsängste, und deshalb höre man den Rat: "Treibt die Umgestaltung langsam voran, damit die Furcht vor der Zukunft nicht größer wird." Schwarze Südafrikaner erwarteten von der Zukunft ihre volle Menschenwürde, ein Ende der Armut, Ignoranz und Ungleichheit, eine Gesellschaft, in der die schwarze Hautfarbe kein Kennzeichen für Unterordnung sei. Aus dieser Richtung komme der Rat: "Beschleunigt den Transformationsprozess, damit wir nicht das Vertrauen in all das verlieren, was über Demokratie, Nichtrassismus und nationale Versöhnung gesagt worden ist."
Man müsse sich sowohl den Befürchtungen als auch den Erwartungen zuwenden, ohne zuzulassen, dass diese Befürchtungen dazu benutzt würden, den Rassismus fortbestehen zu lassen, aber auch ohne zu erlauben, dass die gerechtfertigten Erwartungen dergestalt umgesetzt würden, dass neue Probleme entstünden, erklärte Präsident Mbeki.
"So können wir den schwarzen und weißen Kindern unseres Landes, denen wir ein Leben als Erwachsene ohne Hass und Furcht hinterlassen müssen, wie sie bei ihrer Geburt ohne Hass und Furcht waren, eine Zukunft der Hoffnung ermöglichen."
Vizepräsident Jacob Zuma äußerte in der Abschlussrede ähnliche Gedanken wie der Präsident. Er sagte, es sei ein neues Bewusstsein bezüglich des schweren Erbes der Vergangenheit entstanden, das die Demokratie stärken werde und gleichzeitig die ganze Nation einbeziehe. Die Rassismuskonferenz habe in aller Offenheit stattgefunden und nichts sei beschönigt worden. Die Initiativen der Zivilgesellschaft in Partnerschaft mit der Regierung würden erheblich dazu beitragen, den Rassismus auszurotten.
UN-Millenniumsgipfel
Präsident Thabo Mbeki vertrat Südafrika während des UN-Millenniumsgipfels vom 6. - 8. September 2000, an dem mehr als 150 Staats- und Regierungschefs der 189 UN-Mitgliedsländer teilnahmen. Der Gipfel, die größte derartige Versammlung, die bisher auf der Welt stattgefunden hat, hatte als zentrales Thema die Rolle der Vereinten Nationen im 21. Jahrhundert.
Präsident Mbeki ermahnte die Teilnehmer in einer kurzen Erklärung am 7. September, keine leeren Versprechungen zu machen, während Milliarden Menschen vor Hunger sterben. Er wies auf die "von Menschen geschaffenen Augenblicke anti-menschlicher Handlungen" hin, die im zweiten Jahrtausend stattgefunden haben, zum Beispiel Sklaverei und Kolonialismus. Der Präsident sagte:
"Die Weltkriege waren weitere solche Augenblicke. Der Holocaust im Nazi-Deutschland war solch ein von Menschen gemachter Moment, und so auch in der jüngeren Vergangenheit der Völkermord, der die Menschen von Ruanda erst vor sechs Jahren heimgesucht hat.
Viele von uns sehen all diese vorsätzlichen und brutalen Gewalttaten, die an menschlichen Wesen verübt wurden, als Teil der Geschichte an, als Dinge, die gekommen und gegangen sind. Wir ziehen es vor, sie zu vergessen und überlassen es den Toten, die Toten zu begraben. Aber keiner von uns kann die Lebenden vergessen, deren Mandat uns das Vorrecht verschafft hat, von diesem Podium aus zu sprechen.
Milliarden der Lebenden kämpfen um das Überleben in Verhältnissen, die von Armut, Entbehrungen und Unterentwicklung gekennzeichnet sind und die genauso viel Anstoß erregen, wie all das, was wir am zweiten Jahrtausend verdammen.
Die Armen der Welt stehen vor den Toren der komfortablen Wohnhäuser, die von all den Königen und Königinnen, Präsidenten, Premierministern und Ministern bewohnt werden, die den Vorzug genießen, an diesem einzigartigen Treffen teilzunehmen.
Und diese Milliarden fragen: Was tut ihr, ihr, denen wir vertrauen, was tut ihr, um die vorsätzliche und brutale Gewalt gegen uns zu beenden, die an jedem einzelnen Tag viele von uns zu einem unwürdigen und unnötigen Tod verurteilt?
Die Menschen vor den Toren leiden ohne eigene Schuld unter schrecklichem Hunger. Sie sterben ohne eigene Schuld an Krankheiten, denen man hätte vorbeugen können.
Sie müssen einen erniedrigenden Verlust an Menschenwürde erleiden, den sie keinem anderen wünschen würden, auch nicht den Reichen.
Das sind die Opfer der systematischen Gewalt, die man Menschen antut, einer Gewalt, die wir als normal akzeptieren, für die wir aber das zweite Jahrtausend verurteilen. Aber andererseits hat dieses Jahrtausend die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir diese moderne Tragödie beenden können.
Es ist ein Teil der reinen Wahrheit, dass das zweite Jahrtausend die Menschheit mit den Finanzmitteln, der Technologie und den Fähigkeiten ausgestattet hat, der Armut und Unterentwicklung auf der ganzen Welt ein Ende zu setzen. Es ist ein anderer Teil dieser Wahrheit, dass wir es abgelehnt haben, diese enormen Kapazitäten zu nutzen, um einen Schlussstrich unter die zeitgenössische vorsätzliche und brutale Gewalt der Armut und Unterentwicklung zu ziehen.
Unsere kollektive Rhetorik vermittelt Hoffnung. Das Vergehen besteht darin, dass unsere Taten die Botschaft vermitteln, dass wir in Wirklichkeit nicht interessiert sind. Wir sind gleichgültig. Mit unseren Taten sagen wir, dass die Armen die Armen begraben sollen.
Dieser Millenniumsgipfel sieht sich vor der fundamentalen Herausforderung, glaubwürdig den Willen zu zeigen, Armut und Unterentwicklung zu beenden. Wir müssen den Willen zum Erfolg demonstrieren, wie jene Menschen, die in dem gigantischen Kampf gegen Nazismus und Faschismus gestorben sind.
Sollten wir diese epochemachende Entscheidung treffen, dann wäre es nicht schwierig, auch in der Praxis zu entscheiden, was wir tun müssen, um aus den Vereinten Nationen eine effektive, dem 21. Jahrhundert entsprechende Organisation werden zu lassen. ...
Wir müssen dafür sorgen, dass den Armen nicht die Rolle von Empfängern der Großmütigkeit und des guten Willens zukommt, sondern dass sie als Entscheidungsträger mitbestimmen, was aus dem gemeinsamen Universum wird, von dem sie ein wichtiger Teil sind.
Die grundlegende Frage, die wir auf diesem Gipfel beantworten müssen, lautet, ob wir mutig und gewissenhaft genug sind unseren festen Willen zu demonstrieren, gewiss keine Situation zuzulassen, in der irgendeiner menschlichen Gemeinschaft ihre Würde verweigert wird.
Wie die Armen vor unseren Toren stelle ich die Frage: Werden wir endlich auf diesen Appell reagieren?
Wir alle, auch die Reichen, werden einen fürchterlichen Preis bezahlen, wenn wir diese Frage nicht mit Ja beantworten."