Das Mieterforum Ruhr, ein Zusammenschluss von Mietervereinen im Ruhrgebiet, unterstützt die Bemühungen, durch Verhandlungen mit der Viterra AG und der Bochumer Häusser-Bau GmbH, bzw. deren Tochterunternehmen Bellaform Maschinenbau GmbH, einen verbesserten Mieterschutz bei Wohnungsverkäufen zu erreichen.
Zur Zeit finden im Düsseldorfer Ministerium für
Städtebau und Wohnen Gespräche mit den Unternehmen statt. Bekanntlich hat die Viterra vor dem Großverkauf
an die MIRA im Dezember auch 1.502 Wohnungen an eine Essener Siedlungsgesellschaft (Sitz Eschborn) und 1.502 an
die Bellaform Maschinenbau veräußert. Besonders die Verkäufe an diese Tochter der Häusser-Bau
GmbH (Sitz Bochum) haben heftige Mieterproteste ausgelöst. Denn Häusserbau startet in der Regel einen
sofortiger und hausweisen Weiterverkauf der Gebäude an interessierte Selbstnutzer. Diese
legen häufig mehrere Wohnungen in den Mehrfamilienhäusern zusammen, parzellieren das Wohnumfeld und kündigen
dann gleich mehreren Mietern wegen Eigenbedarf. Dabei gelten dann anders als bei der Umwandlung einer einzelnen
Miet- in eine Eigentumswohnung keine besonderen Kündigungs-sperrfristen. Der Kündigungsschutz beträgt
maximal 9 Monate. Betroffen sind zum Beispiel in Dortmund 891 Wohnungen, in Gelsenkirchen
366, in Bochum 246 Wohnungen.
Mieter und Mietervereine mussten bereits vielfältige
negative Erfahrungen mit dem Zwischenverwerter Häusser-Bau machen. So wurden in Witten kurzerhand Mietergärten
enteignet. Um die Bagger zu stoppen musste auch schon mal die Polizei gerufen
werden. In Bochum und Gelsenkirchen, wo bereits Siedlungen weiterverkauft werden, die erst zum 1. Januar an Häusser
gingen, heißt es oft: "Kaufen oder in neun Monaten raus!" Häusser-Bau verfolgt eine aggressive
Verkaufspolitik, von der sich auch manche Mieter unter Druck setzen lassen. Vereinbarungen und Absprachen sind
nach unserer Erfahrung kaum durchzusetzen.
Mieterforum Ruhr fordert die Viterra und auch die MIRA auf,
mit diesem Unternehmen keine Geschäfte mehr zu machen, so lange Häusser-Bau sich nicht vertraglich verpflichtet,
Mindeststandards für einen Verkauf, wie sie zur Zeit im Landtag verhandelt werden (Verkaufskodex) einzuhalten. Bei allen Verkäufen sollten generell Mindeststandards für den Mieterschutz und die Entwicklung
der betroffenen Quartiere in den Kaufverträgen vereinbart werden. Diese müssen im Einzelfall auch über
gesetzliche Regelungen hinausgehen:
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Auch bei einem hausweisen Verkauf sollten mehrjährige Sperrfristen
für eine Eigenbedarfskündigung gelten.
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Mieterhaushalte, die sich bei einer Eigenbedarfskündigung auf die
gesetzliche Sozialklausel berufen könnten (z.B. bei hohem Alter, langer Wohndauer oder gesundheitlichen Einschränkungen)
sollten auf Antrag ein lebenslanges Wohnrecht als Zusatz zum Mietvertrag erhalten. Eine bekannte Persönlichkeit
je Stadt könnte als Ombudsman diese Fälle gegenüber der Eigentümerin übernehmen.
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Viterra muss auch bei Block-Verkäufen die Erwerber auf das Dauerwahnrecht
ab 65 Jahre verpflichten, das bei Viterras eigenen Privatisierungen gilt.
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Der Erwerber muss sich verpflichten, das öffentlich zugängliche
Wohnumfeld zu erhalten, die Besitzrechte der Mieter zu respektieren und mit den Kommunen städtebauliche Vereinbarungen
zur Weiterentwicklung der Quartiere zu treffen.
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Weiterhin muss sich der Erwerber verpflichten, die notwendigen Instandsetzungen
vorzunehmen und Kaufinteressierte umfassend über die Mieterrechte, den Instandhaltungszustand der Gebäude
und weitere Lasten aufzuklären.
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In früheren Werkssiedlungen teilweise noch vorhandene Belegungsrechte
der RAG und anderer Firmen müssen beachtet und gesichert werden.
Mieterforum Ruhr hofft, dass im Ministerium Schutzregelungen
vereinbart werden können, die den von Häusser-Bau bedrohten Mietern unmittelbar helfen.
Sollten die Unternehmen nicht bereit sein, Mindeststandards
auf freiwilligem Wege zu vereinbaren und einzuhalten, ist der Gesetzgeber gefordert.
Mieterforum Ruhr fordert die Erweiterung der Kündigungssperrfrist
auf alle Verkäufe von Wohngebäuden, eine Novelle der baurechtlichen Regelungen zur planungsrechtlichen
Steuerung verkaufsbetroffener Bestände und die Beendigung der Subvention von Verdrängungsverkäufen
durch die Eigenheimzulage.
Vorab sollen Land und Kommunen nicht mehr freiwillig mit Unternehmen
zusammenarbeiten, die sich nicht an die vom Landtag zu beschließenden Mindeststandards für Wohnungsverkäufe halten und
sollen gegenüber diesen Unternehmen die vorhandenen
planungs- und wohnungsaufsichtsrechtlichen Instrumente restriktiv einsetzen.
Ergänzung des Bochumer Mietervereins:
Zur aktuellen Berichterstattung über die
Bemühungen um mehr Mieterschutz bei Viterra-Verkäufen möchten wir ergänzend zu unserer obigen
Pressemitteilung von heute Vormittag noch einen Umstand stärker herausstellen, der uns von besonderer Bedeutung
scheint:
Bei Verkäufen größerer Mehrfamilienhäuser spielt das Thema Eigenbedarfskündigung normalerweise
keine besondere Rolle, da diese nur selten von Selbstnutzern gekauft werden. Wenn aber doch, trifft meist nur einen
von vielen Mietern das Schicksal "Kündigung".
Werden die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und einzeln verkauft, kann jeden Mieter der Eigenbedarf
treffen. Dann aber greift die Sperrfrist des § 577 a BGB. Sie beträgt laut BGB 3 Jahre. In 273 Kommunen
in NRW ist sie zur Zeit noch per Verordnung auf 10 Jahre verlängert. Aufgrund einer Übergangsvorschrift
der Mietrechtsreform von 2001 läuft diese Verordnung am 31. 8. 2004 aus. Sie wird durch eine Neue "Kündigungssperrfristverordnung"
ersetzt, die für 57 Kommunen 8 Jahre Sperrfrist vorsieht, für 48 weitere 6 Jahre. Grund der kleineren
"Gebietskulisse" sind weitgehend entspannte Wohnungsmärkte außerhalb der Ballungszentren.
Es gibt jedoch einen gerade im Ruhrgebiet
weit verbreiteten Haustyp, der völlig unzureichend geschützt ist:
Das kleine Mehrfamilienhaus, das man vor allem in ehemaligen Arbeitersiedlungen vorfindet. In diesen Häusern
wohnen zwei bis maximal sechs Mietparteien, und die Wohnungen sind oft recht klein. Diese Häuser eignen sich,
wenn man zwei kleine Wohnungenzusammenlegt, hervorragend für Selbstnutzer. Die Finanzierung ist oft wegen
der Mieteinnahmen aus den übrigen Wohnungen sogar leichter als beim Kauf eines Eigenheims. Da nicht umgewandelt wird, greift hier keine Sperrfrist!
Es gilt also nur die normale gesetzliche Kündigungsfrist von 3 bis neun Monaten. Ein Drittel oder die Hälfte
der Mieter verlieren innerhalb kürzester Zeit ihre Wohnungen, viele andere ziehen aus Angst zusätzlich
aus. (Beobachtbar in Bochum Bergen, Eifelstraße, Taunusstraße, Westerwaldstraße, Harzstraße,
Anfang 2003 von Viterra an Häusser-Bau verkauft und Hausweise weiterverkauft.)
Dir wichtigste Forderung der Stunde ist deshalb
eine Kündigungssperrfrist nach allen Verkäufen, nicht nur
nach Umwandlungen!
(beschlossen auch auf dem Mietertag 2003 in Erfurt)