Bündnis 90/Die Grünen haben auch in NRW lange Jahre für den Ausbau von Bürgerbeteiligungsrechten gestritten, wir haben nach der letzten Landtagswahl mit dazu beigetragen, dass die hohen Quoren bei Bürgerentscheiden in NRW gesenkt wurden. Von daher halten wir es für erforderlich, dass das erfolgreiche Bürgerbegehren als Ausdruck der Direkten Demokratie Ernst genommen und dem ausdrücklichen Wunsch von fast 15.000 BürgerInnen und Bürgern nach einem Bürgerentscheid Rechnung getragen wird. Wir fordern die Verwaltung wie auch die Fraktionen im Rat der Stadt Bochum auf, vor einer endgültigen Entscheidung zum Thema Cross Border Leasing die Überprüfung des Bürgerbegehrens und den folgenden Bürgerentscheid ergebnisoffen abzuwarten. Wir betonen hiermit aber auch ausdrücklich unsere Zustimmung zur inhaltlichen Argumentation der Grünen Ratsfraktion, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten beispielhaft schriftlich wie auch persönlich der öffentlichen Auseinandersetzung zu dem schwierigen, emotional besetzten Thema gestellt hat. Auf der anderen Seite betrachten wir mit Sorge eine Entwicklung, wo organisierte gesellschaftliche Interessengruppen, Vereine, Verbände und vielleicht bald auch Großunternehmen durch Verknüpfung ihrer Mitglieder- oder Mitarbeiterkarteien mit den Instrumentarien der Direkten Demokratie bei Bedarf ihnen missliebige Entscheidungen (auch großer) parlamentarischer Mehrheiten im Stadtrat zu Fall bringen können. mehr…
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den letzten Wochen haben über 15.000 Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bochum ihre Meinung zu dem von Ihnen geplanten und im November beschlossenen Leasing-Geschäft zum Ausdruck gebracht. Auch wenn die Gründe vielfältig waren, aus denen die BürgerInnen mit ihrer Unterschrift gegen den Ratsbeschluss protestierten, so sind das Interesse an der Politik des Rates und die Sorge um das Wohl der Stadt, die hierin zum Ausdruck kommen, aufrichtig und respektabel.
In der Sondersitzung des Rates am 09. 03. 03 werden Sie nun aufgefordert sein, über das weitere Vorgehen in dieser Sache zu entscheiden. Hierbei wird sich u. a. auch die Frage stellen, ob Sie in der jetzigen Situation die Verwaltung auffordern sollen, den geplanten Vertrag mit den amerikanischen Investoren zu unterschreiben.
Unabhängig von der Frage, ob der Abschluss des Vertrages zum jetzigen Zeitpunkt Rechtens wäre und ob diese Entscheidung vor einem Verwaltungsgericht Bestand hätte, würde dieses Vorgehen faktisch das Instrument des Bürgerbegehrens/des Bürgerentscheides außer Kraft setzen. Das Bürgerbegehren ist ein wertvolles demokratisches Instrument, das die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt in diesem aktuellen Fall genutzt haben, um ihren Mitbestimmungswillen auszudrücken. mehr…
Der Bochumer Krimi-Autor Reinhard Junge zur Debatte über Cross-Border-Leasing: „Lange her, dass sich Bochumer Lokalpolitiker in einem Kriminalroman karikiert wähnten und entsprechend humorlos reagierten (Werner Schmitz: Dienst nach Vorschuss, Leo P. Ard/Reinhard Junge: Das Ekel schlägt zurück). Jetzt könnte es wieder so weit sein: Der real existierende OB, sein Fraktionschef und ihr grüner Wurmfortsatz zeigen in der Frage des Bürgerentscheides ein so gediegenes Demokratieverständnis, dass sich der Stoff für einen schönen Krimi geradezu aufdrängt. Dabei böten die Bochumer Verhältnisse der kriminellen Phantasie des Autors schon bei der Wahl des Titels wunderbare Anregungen: ‚Der Sauna-Deal‘, ‚Die Schilda-Mafia‘ oder schlicht ‚Das Millionengrab‘. Ich werde mal mit meinem Verleger reden.“
Die Grüne Partei in Bochum und die Grüne Jugend in Bochum haben auch nach mehrfachem Nachfragen seit Montagvormittag, ob sie eine Meinung zum Umgang mit dem BürgerInnenbegehren gegen den Cross-Border-Deal haben, nicht geantwortet. Basisdemokratie war immerhin einstmals eine der Säulen des Grünen Selbstverständnisses. Die Forderung nach Unterstützung von mehr „Direkter Demokratie“ gehörte früher zu den unumstrittenen grünen Selbstverständlichkeiten. Auch auf den Web-Seiten der Grünen ist keine Position der Partei zu der aktuellen Auseinandersetzung zu finden.
Von der Grünen Fraktion gibt es mehrere Stellungnahmen, dass sie sich über das BürgerInnenbegehren hinwegsetzen will.
„Daher muss jede legale Möglichkeit genutzt werden“, schreibt der SPD geführte Personalrat der Stadt Bochum in einem Flugblatt, das heute verteilt wurde. Denn: Cross-Border-Leasing bedeute die Sicherung von Arbeitsplätzen und sozialen Leistungen. Ohne Cross-Border-Leasing gäbe es Einschnitte bei den sozial Schwächsten, bei der Kinder- und Jugendförderung, den Bädern und Sportstätten, den Stadtbüchereien … Daher sollen alle städtischen Beschäftigten am Sonntag zur Sondersitzung des Rates kommen und Stimmung für den Cross-Border-Deal machen. Selten stand es in den letzten Jahren so schlecht um die Bochumer SPD, dass sie in ihrer Rhetorik so primitiv werden musste wie in diesem Flugblatt. Der Bevölkerung und den Beschäftigten wird einfach nur Angst gemacht. Ob die Verantwortlichen für eine solche Agitation ihre Zielgruppe wirklich für so einfältig halten, dass sie nicht weiß, was West-Kreuz, DüBoDo, Konzerthalle, Planet of Vision, U-Bahnen, Stadionausbau und der ganze Repräsentationsschnickschnack kosten? Das Flugblatt.
Presseerklärung von Mieterverein und attac Bochum vom 6.3.2003
Der Bochumer Stadtrat wird auf einer Sondersitzung am Sonntag, den 9. März, um 18 Uhr über das geplante Cross-Border-Leasing Geschäft mit dem Kanalnetz der Stadt entscheiden. Bis dahin soll die Verwaltung die von den Initiatoren des Bürgerbegehrens eingereichten 15.280 Unterschriften geprüft haben. Hintergrund der großen Eile: Am 10. März soll Stadtkämmerin Ottilie Scholz den Vertrag in den USA unterschreiben. Der Investor wolle sich, so sagte Scholz auf der regulären Ratssitzung am 27. Februar, nicht länger hinhalten lassen. Inzwischen gibt es Indizien dafür, dass sich der hohe Aufwand (zusätzliches Personal, Nacht- und Wochenendschichten bei der Stadtverwaltung), zu dem sich OB Ernst-Otto-Stüber unter dem Druck der Politiker überreden ließ, als Verschwendung von Steuergeld entpuppen könnte. Denn nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind SPD und Grüne, die im Bochumer Stadtrat die Mehrheit stellen, entschlossen, das Geschäft auch bei einem Erfolg des Bürgerbegehrens durchzuziehen. SPD-Geschäftsführer Axel Flügge und Grünen-Geschäftsführer Theo Brackmann gaben gegenüber der SZ (NRW-Ausgabe von heute) an, ihre Fraktionen würden am Sonntag erneut für das Geschäft stimmen. mehr…
Mehrere Persönlichkeiten Bochums sammeln zur Zeit Unterschriften unter einen offenen Brief, mit dem die Bochumer Ratsmitglieder aufgefordert werden sollen: „das durch das Bürgerbegehren zum Ausdruck gekommene Interesse an der Politik und am Wohl dieser Stadt ernst zu nehmen. Geben Sie dem Bürgerentscheid eine reale Chance. Verschieben Sie eine mögliche Vertragsunterzeichnung auf die Zeit nach dem Bürgerentscheid. Bis dahin können dann BefürworterInnen und GegnerInnen des Leasing-Geschäftes um die Zustimmung der BürgerInnen von Bochum werben.“ Der Brief im Wortlaut. UnterzeichnerInnen können ihre Unterstützung für den offenen Brief schicken an: ob@bo-alternativ.de
„Die rot-grüne Koalition im Bochumer Stadtrat ist entschlossen, sein Kanalnetz auch gegen das Votum der Bürger in die USA zu verleasen. Der Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Axel Flügge, sagte der SZ: ‚Die Mehrheit für das Geschäft steht.‘ Bereits am Sonntagabend wollen SPD und Grüne auf einer Sondersitzung des Stadtrates den Deal durchwinken. Wenige Stunden später soll Stadtkämmerin Ottilie Scholz (SPD) nach New York fliegen und die Verträge über Cross-Border-Leasing mit einem nicht benannten Investor unterzeichnen. Auch die oppositionelle CDU signalisierte Zustimmung“, schreibt die Süddeutsche Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe.
In einem offenen Brief hat sich ein Bochumer Bürger an den US-Justizminister gewandt und Fragen zum Cross-Border-Deal gestellt: „Wie andere Körperschaften auch beabsichtigt meine Heimatstadt Bochum mit einem so genannten Crossborder-Border-Leasing-Geschäft 20 Millionen Euro Einnahmen zu erzielen. Das Bochumer Abwasser-Kanalsystem soll an einen US-amerikanischen Investor vermietet und im gleichen Augenblick zurückgemietet werden. Es handelt sich nach den Aussagen aller Beteiligten in der Öffentlichkeit eindeutig um ein Scheingeschäft, mit dem verschiedene Banken enorme Gewinne erzielen wollen. Einen Teil dieser Gewinne wollen sie an die Stadt abtreten. Würde ein solches Scheingeschäft zur Erlangung eines Steuervorteils ausschließlich in Deutschland abgewickelt, wäre es strafbar. Ich frage mich, wie viele andere Bürgerinnen und Bürger auch, wieso die amerikanischen Behörden ein solches Scheingeschäft zulassen: Ist es wirklich nur ein Scheingeschäft, wie die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung behaupten? Gibt es Überlegungen in den USA, diese Geschäfte in Zukunft zu unterbinden und bei eindeutigen Scheingeschäften die Steuervorteile aus der Vergangenheit zurückzufordern? mehr…
Die SPD-Fraktion teilt mit: „Der Rat hat soeben beschlossen, noch vor der Unterzeichnung des Cross-Border-Leasing-Vertrages in einer Sondersitzung am 9. März (Sonntag) um 18 Uhr über das Bürgerbegehren gegen das Geschäft zu entscheiden. Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber kündigte an, die Verwaltung werde alle zur Verfügung stehenden Mittel – Überstunden und Sonderschichten – ergreifen, um bis dahin eine Beschlussvorlage vorlegen zu können. Eine hundertprozentige Garantie könne er aber nicht geben. In der vorangehenden Debatte hatte Kämmerin Dr. Ottilie Scholz gesagt, sie gehe aktuell von einem Haushaltsdefizit von 106 Mio. Euro aus. Der Leasing-Vertrag soll nach jetzigem Planungsstand am 10. März unterschrieben werden und der Stadt rund 20 Mio. Euro einbringen. Der Rat will vorher über das Bürgerbegehren, für das 15.000 Unterschriften gesammelt worden waren, entscheiden.“ Weiteres ist auf der Webseite der SPD-Ratsfraktion zu finden.
Pressemitteilung von Attac Bochum und Mieterverein:
Mit Befremden haben die attac-Initiatoren des Bürgerbegehrens und der sie unterstützende Mieterverein vernommen, dass die SPD-Ratsfraktion offenbar gewillt ist, das Cross-Border-Leasing-Geschäft trotz des erfolgreichen Bürgerbegehrens „durchzuziehen“. „Das“, meint Mietervereins-Sprecher Aichard Hoffmann, „wäre ein verhängnisvoller Fehler. Dadurch würde der zwangsläufig folgende Bürgerentscheid nicht nur zu einer Abstimmung über das Kanal-Leasing, sondern auch über das Demokratieverständnis des Bochumer Rates.“ mehr…
Das Bürgerbegehren gegen das Kanalnetz-Leasing war erfolgreich – zumindest haben die Initiatoren von attac und Mieterverein über 15000 Unterschriften gesammelt. „Damit haben wir die erforderliche Hürde von knapp 12000 Unterschriften sicher genommen“, freut sich Ralf Bindel von attac. „Die Bochumer Bürger haben Erstaunliches geleistet. Vielen Dank dafür.“ Selbst wenn erfahrungsgemäß rund 10 Prozent der Unterschriften wegen falscher Eintragungen als ungültig gewertet würden, wird sich die Verwaltung mit dem Bürgerbegehren befassen müssen. „Anschließend wird die Verwaltung untersuchen, ob das Bürgerbegehren rechtmäßig ist“, so Bindel. Die Globalisierungskritiker rechnen mit einer mehrwöchigen Prüfung. Der Rat kann dann seine Entscheidung zurücknehmen oder einen Bürgerentscheid einleiten. Bei der folgenden lokalen Volksabstimmung müssten mindestens 60000 Bochumer sich gegen Cross-Border ausdrücken. Es wäre der erste Bürgerentscheid in Bochum. mehr…
Nach dem beeindruckenden Erfolg von attac und Mieterverein beim BürgerInnenbegehren gegen den Cross-Border-Leasing-Deal (siehe untenstehende Meldung) startet attac mit zwei Veranstaltungen am Monntag und Mittwoch durch: Am Montag geht es im Bahnhof Langendreer um die WestLB und um die Ölpipeline in Ecuador. (siehe untenstehende Meldung) Am Mittwochabend, 26.2., 19 Uhr, lädt attac Bochum zu der Auftaktveranstaltung einer Veranstaltungsreihe zum Thema Globalisierung in der VHS ein. In einer fünfteiligen Reihe werden die zentralen Themen der Globalisierungsdebatte beleuchtet. Eingeladen sind jeweils bekannte GastreferentInnen. So wird am Mittwoch einer der Gründer von attac Deutschland, der Diplom-Physiker Oliver Moldenhauer die Bewegung vorstellen. Der VHS-Informationsabend „attac – Globalisierungskritik aus Bochum“ wird dazu dienen, die Initiativen der Bochumer Gruppe vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Globalisierung zu diskutieren. Gezeigt wird, was GATS, WTO und CBL miteinander zu tun haben. Die Pressemitteilung von attac hierzu im Wortlaut.
Am Ende waren es dann sogar 15.280 Unterschriften für das BürgerInnenbegehren gegen das Cross-Boarder-Leasing des Bochumer Kanalnetzes. Um mehr als ein Fünftel wurde damit das Quorum von knapp 12.000 Unterschriften übertroffen. Sogar die Initiatoren waren überrascht. „Angesichts der Tatsache, dass außer attac und Mieterverein niemand aus der politischen Szene das Bürgerbegehren unterstützt hat, ist das ein Riesenerfolg“, freut sich Jürgen Bargmann. „Dieser Erfolg ist den vielen Bürgerinnen und Bürgern zu verdanken, die sich spontan am Stand gemeldet und in ihrer Nachbarschaft mitgesammelt haben. Sie haben wirklich ihr Geschick in die eigenen Hände genommen.“
Eine Zwischenzählung in der Geschäftsstelle des Mietervereins brachte um 17.00 Uhr folgendes Ergebnis: 14.040 Bochumerinnen und Bochumer haben bisher das BürgerInnenbegehren gegen das Cross-Boarder-Leasing des Kanalnetzes unterschrieben. Nach telefonischer Rücksprache mit den Aktiven am Informationsstand am Husemannplatz sind seither weitere 300 Unterschriften eingegangen. Damit wurde das erforderliche Ergebnis von knapp 12.000 Unterschriften so deutlich überschritten, dass sich attac und Mieterverein sicher sind, einen Erfolg des BürgerInnenbegehrens melden zu können. Dennoch wird unverdrossen bis 22.00 Uhr weiter gesammelt! Es gibt wenige Beispiele in NRW, bei denen es bisher BürgerInnen geschafft haben, gegen alle Fraktionen im Rat ein solches BürgerInnenbegehren erfolgreich zu initiieren.