Nr. 19 - Dezember 2003 Ein Service des Mietervereins Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.
Vor Eintritt in die Tagesordnung der Sitzung des Beirat Bochum-Agenda 21 am 12. November 03 informierte ein Vertreter der Ruhr-Universität Bochum den Agenda-Beirat über die Hintergründe der umstrittenen Gastprofessur von Mesut Yilmaz. Diese stand bereit im Juni auf der Tagesordnung des Beirats. Man wünschte aber damals, auch die Position der Uni Bochum zu hören. Der frühere Ministerpräsident der Türkei wird von seinen Kritikern für massive Menschenrechtsverletzungen gegen die kurdische Bevölkerung mitverantwortlich gemacht. Der Gast der Uni legte dar, durchaus von den Protesten gegen die Gastprofessur überrascht worden zu sein. Sie kamen aber wohl auch nicht ganz unerwartet, denn es gab als "Test" zwei Gespräche im kleinen Kreis. Dieses Angebot, Konflikte im Dialog zu lösen, sei aber nicht angenommen worden. In den späteren Gesprächen mit Studierenden anläßlich seiner Gastprofessur habe sich Herr Yilmaz durchaus der Kritik gestellt. Er mache einen Dialog durch seine "kurz angebundene" Art zwar nicht leicht, habe in den Diskussionen aber mehr gesagt, als zuvor in der Öffentlichkeit. Herr Yilmaz fühle sich nicht verantwortlich für das, was ihm vorgeworfen wird. Daher habe es auch keine Veranlassung gegeben, an seinen Worten zu zweifeln. Die Umgangsformen mit Politikern erlaubten keine tiefbohrenden Nachfragen. Man sei keine gerichtliche Instanz. Die vorliegenden Informationen unterschieden sich von denen anderer. Auch war man überzeugt, Konflikte im Gespräch überwinden zu können. Die unterschiedlichen Positionen der Beiratsmitglieder zu diesem Thema wurden in der anschließenden kurzen Diskussion nicht weiter vertieft.
In der Kampagne "Agenda 21 in der Schule" sind Schulen aller Schulformen - von der Grundschule bis zur berufsbildenden Schule - aufgerufen, ihren Schulalltag nachhaltig zu entwickeln und zu gestalten. Sie wird vom Schul- und Umweltministerium NRW gemeinsam angeboten und landesweit von der Natur- und Umweltschutzakademie NRW (NUA) koordiniert. Vor Ort werden die Schulen vom Schulamt und von Margrit Mizgalski, der Agenda-Beauftragten für die Bochumer Schulen, betreut. In Bochum nehmen fünf Schulen an der Kampagne teil. Schüler, Lehrer und Eltern wollen gemeinsam aktive "Schularbeit" im Sinne einer nachhaltigen Bildung betreiben. Bei einer ersten gemeinsamen Veranstaltung am 13. Oktober 2003 stellten die fünf Schulen ihre Planungen und Projekte vor. Mehr zu den Schulen und ihren Projekten in einer weiteren Meldung innerhalb dieser Ausgabe des Rundbriefs. Die fünf Schulen arbeiten seit Jahren, teilweise punktuell, an Themen des Umweltschutzes, alternativer Energien oder Fairen Handelns. Die jetzt geplanten Projekte sollen zu einer stärkeren Thematisierung in nahezu allen Fächern führen, so daß sie wirklich zu Säulen des Schulprogramms werden. Ziel ist somit die langfristige Sensibilisierung von allen am Schulleben beteiligten, Eltern, Schülern, Lehrern und Schulpersonal für Themen der Agenda 21. Am Ende der zweijährigen Projektphase dokumentieren die Schulen ihre Weiterentwicklung. Erfolgreiche Schritte auf dem Weg zu einer "Bildung für nachhaltige Entwicklung" werden durch ein Zertifikat anerkannt. Alle erfolgreichen Schulen werden ausgezeichnet. Dieses Zertifikat wird in zwei Stufen vergeben: Stufe 1: Auszeichnung als vorbildliches Agenda 21-Projekt in NRW. Stufe 2: Auszeichnung als Agenda 21 - Schule in NRW. Koordinatorin Margrit Mizgalski hofft, daß die fünf Schulen erfolgreich die Stufe 2 erreichen werden.
Das Projekt "Der Pott kocht fair", zu dem auch der Bochum Kaffee gehört, ist von der Landesregierung NRW zum offiziellen Agenda 21 NRW - Best Practice Beispiel ernannt worden. Das Beispiel "Der Pott kocht fair" leistet nach Meinung des Auswahlgremiums in besonderer Weise einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und Zukunftsgestaltung in Nordrhein-Westfalen. Es ist in der Lage, potentielle Projektinitiatoren zur Nachahmung anzuregen und zeichnet sich zudem durch einen hohen Innovationsgehalt aus. Damit ist innerhalb kürzester Zeit schon zum zweiten Mal das außerordentliche ehrenamtliche Engagement im Eine-Welt-Bereich ausgezeichnet worden. Bereits Ende September hat Bochum den vierten Platz im Wettbewerb "Hauptstadt des Fairen Handels" erreicht. Qualifiziert hatte sich Bochum durch Projekte im Eine-Welt-Bereich, die hauptsächlich durch ehrenamtliches Engagement getragen wurden: das Flower Label, den Bochum-Kaffee, den Stadtplan für fair gehandelte Lebensmittel in Bochum, die Faire Kiste, die Beteiligung an der Fairen Woche, das Theaterstück "Ay Ay Ay-Cafe" und die Gestaltung von Werbeflächen.
Die Überprüfung des Cross-Border-Leasing des Bochumer Kanalnetzes auf Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Bochum-Agenda 21 (Nachhaltigkeit) durch die Verwaltung überzeugte den Agenda-Beirat nicht, so daß er sie zur Überarbeitung zurückgewiesen hat. Insbesondere die Bewertungen zur Bürgerbeteiligung stellten die Mitglieder des Beirates nicht zufrieden, ließen sie doch die mehr als 15.000 Unterzeichner des Bürgerbegehrens gegen das Leasing-Geschäft vollkommen unerwähnt. Insgesamt sei die Agenda mehr nebenbei abgehandelt worden. Damit wurde eine Mitteilung der Verwaltung in dieser Sache schon zum zweiten Mal zurückgewiesen. In der aktuellen Vorlage wurde überprüft, wie es sich beim CBL um den Aspekt der Nachhaltigkeit verhält. Das bearbeitende Büro des Oberbürgermeisters sah eine Schwierigkeiten in der Definition, Meßbarkeit und Bewertung von Nachhaltigkeit. Daher hat es das Raster des Modellversuchs zur Bewertung von Beschlußvorlagen zur Hilfe genommen. Entsprechend wurde in den fünf Handlungsfeldern Wirtschaft und Arbeit, Soziales und Gesellschaft, Umwelt, Geschlechtergleichheit sowie BürgerInnenbeteiligung durchdacht, in wie weit das CBL positive, negative oder keine Auswirkungen auf die Handlungsfelder hat. Im Ergebnis wurden überwiegend positive Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit festgestellt.
Die Hildegardis-Schule (Klinikstr. 1, Gymnasium) beteiligt sich mit dem Projekt "Grubengasverwertung als Beitrag zu einer nachhaltigen Energieversorgung." Die Beschäftigung mit Zukunftsenergien ist ein wichtiger Bestandteil im naturwissenschaftlichen Unterricht der Schule. So konnten die Aral-Forschung GmbH sowie die Minegas GmbH zur Zusammenarbeit gewonnen werden. Die Köllerholz-Schule, (Köllerholzweg 61, Grundschule) ist mit ihrem Projekt "Ausbau des Lern- und Erlebnispfades im Köllerholzgarten." dabei. Seit 1994 ist der Auf- und Ausbau des Köllerholzschulgartens mit seinen zur Zeit 48 Lernstationen zu Themen der Umweltbildung ein fester Bestandteil des Schulprogramms der Schule. Es sollen neue Materialien entwickelt werden, die wiederum allen anderen Schulen zur Verfügung stehen. (Online-Öffentlichkeitsarbeit, Virtueller Garten). Eine Zusammenarbeit erfolgt mit dem Calto-Haus, Castrop-Rauxel, sowie dem IUZ, Bochum Die Lessing-Schule (Ottilienstr. 12, Gymnasium) beteiligt sich mit vier Projekten. Bei den "Bachpatenschaft für den Harpener Bach" ist eine langfristige Untersuchung und Betreuung vorgesehen. Bei der "Errichtung und Betreibung einer Photovoltaik-Anlage" geht es um die Effizienz alternativer Energien, die Diskussion und den Vergleich mit anderen Schulen. Im "Lebensraum Ruhr" werden Untersuchungen und Beobachtungen am "heimatlichen Fluß" angestellt. Beim Projekt "Fairer Handel - eine Welt-Kiosk" schließlich erfolgt die Zusammenarbeit außer mit den Stadtämtern mit dem Trans-Fair e.V., der GePa, Solarserver e.V., der nua, Recklinghausen. Das Louis-Baare-Berufsschulkolleg (Bußmannsweg 8) ist dabei mit den Projekten "BNC - Bochumer Nachhaltigkeits Check - eine Schule auf dem Prüfstand zur Nachhaltigkeit" und "Fächerübergreifende, flächendeckende Behandlung von Agenda-Themen im Unterricht". Unterstützt wird die Schule durch den Umwelt Service Bochum USB. Die Maria-Sibylla-Merian-Schule (Gesamtschule) nimmt teil mit dem Projekt "Schuleigene Photovoltaik-Anlage und Wetterstation". Bestandteil sind Planung, Realisierung, computergestützte Datenerhebung und -auswertung und der Vergleich mit anderen Schulen. Die Beschäftigung mit Agenda-Themen ist ein Bestandteil des Schulprogramms der Schule und wurde mit der Auszeichnung "Umweltschule in Europa" - ein Titel, den eine Schule zwei Jahre führen darf - belohnt. Der Energiesparwettbewerb wird mit der Realisation dieser Anlage zunächst einmal abgeschlossen.
Vom 8. bis 12. Dezember 2003 fand an der Ruhr-Universität Bochum die "vierte feministische winteruni" statt. Veranstalter war die Arbeitsgemeinschaft feministische Theorie und Praxis. Die folgenden Programmpunkte wurden unterstützt durch die Bochum-Agenda 21: Angelika Wetterer: Strategien rhetorische Modernisierung. Gender Mainstreaming, Managing Diversity und die Professionalisierung der Gender-Expertionnen MuCoLaDe (Mujeres Conra La Deportación): "Otras Vías" - Andere Wege: (Illegalisierte) Migrantinnen in der Sexarbeit - Film und Diskussion mit Mónica Orjeda Umut Erel: Qualifizierte Migrantinnen zwischen Anerkennung und Abqualifikation Die "feministische winteruni" möchte auch in diesem Jahr Studentinnen aus allen Fachbereichen sowie andere Interessierte zu einem Einblick in aktuelle feministischen Theorien und konkrete feministische Theorien einladen. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Anbindung theoretischer Ansätze an Alltagserfahrungen, um so Lehrinhalte und Praxis an der Ruhr-Universität aus einer kritischen Perspektive zu beleuchten. Organisiert wir die "feministische winteruni" von der 1997 gegründeten "ag feministische theorie & praxis", die sich als interdisziplinäres, studentisches Diskussionsforum versteht für Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund und Studienausrichtung
Die Verbraucherzentrale NRW führt vor Weihnachten an NRW-Bildungseinrichtungen die Aktion "Es weihnachtet fair" durch. Dabei sollen Menschen mit kurzen, unterhaltsamen weihnachtlichen Einlagen zum Zuhören gebracht, mit Informationen zum Fairen Handel versorgt und vom Kauf fairer Produkte überzeugt werden. Die Aktion findet u.a. am 17.12.03 bei der VHS Bochum statt. Aus diesem Anlass wird das Eine-Welt-Forum am 17.12.03 von 12:00 bis 14:30 Uhr einen Infostand mit Informationen und fairen Produkten in der VHS / BVZ durchführen.
Aufgrund der düsteren Prognosen für die Agenda-Prozesse in NRW in der November-Ausgabe des Rundbriefs hat das Bochumer Agenda-Büro angeregt, auf die bisher in der Tat beneidenswerte Lage in Bochum hinzuweisen: Der Agenda-Prozeß wird zum einen durch Mittel des Gemeinde-Finanzierungs-Gesetzes (GfG) finanziert, zum anderen werden die beiden Stellen im Agenda-Büro durch städtische Mittel beglichen. So standen in Bochum die GfG-Mittel stets in voller Höhe dem Agenda-Prozeß zur Verfügung. Dies ist fast als Rarität zu bezeichnen; müssen sich doch in den meisten Städten und Gemeinden unterschiedliche Gruppen um die Zuwendungen streiten, oder die Mittel "verschwinden" gleich in öffentlichen Haushalten. Des weiteren ist auch die Personalausstattung als nahezu ideal definierbar. So stehen seit Anfang des Prozesses mindestens zwei volle Stellen zur Verfügung, die aus dem Personaletat der Stadt finanziert werden und nicht die GfG-Mittel betreffen. Der "Normalfall" sind ABM-Stellen, die absehbar wegfallen. So war es bisher um die Bochum-Agenda 21 in personelle und finanzieller Hinsicht immer gut bestellt. Die Finanzierung der Geschäftsstelle des Beirat Bochum-Agenda 21 (Agenda-Büro) scheint auch in naher Zukunft sicher, so daß die beiden Mitarbeiter dort auch weiterhin den Agenda-Prozeß unterstützen können. Wie es sich mit den GfG-Mitteln und ihrem Ersatz verhält, wird sich Anfang nächsten Jahres zeigen.
Der Arbeitskreis Arbeit und Soziales diskutierte Erfahrungen zu Arbeitslosigkeit und Armut auf Bochumer Ebene. So wird zum Beispiel Sozialhilfe nicht in Anspruch genommen werden, da sie die betroffenen schlicht schämen - Zitat: "Ich bin arm". Wie in allen anderen Kommunen auch seien in Bochum der Personalabbau und fehlende Arbeitsplätze das Hauptproblem. Der Arbeitskreis sieht in der Hoffnung auf weiteres ökonomisches Wachstum keine Lösung. Für vorbildliche zivilgesellschaftliche Beteiligungsprozesse bei der Organisation von Geldströmen wurden zwei Beispiele genannt: das anthroposophische Netzwerk und daraus konstruierte innovative Geldanlagen wie z.B. die GLS-Bank und die Ausgabe von Anteilsscheinen für Herner BürgerInnen durch die Stadtwerke Herne, die damit eine kreative Alternative zum Bochumer Cross-Border-Leasing-Verfahren gefunden haben. Der sogenannte zweite Arbeitsmarkt ist grundsätzlich auch nicht nachhaltig, da in diesem System ArbeiterInnen unter Tarif und ohne Gewährleistung bezahlt würden ("Einkommen ohne Auskommen"): "Jobben" verhindert eine Identifikation mit dem bzw. Bindung an den Arbeitsplatz, befördert die Selbstausbeutung und ist darüber hinaus auch eine Öffnung für den Niedriglohnsektor.
Die Auszeichnung durch die Landesregierung für das Projekt "Der Pott kocht fair", zu dem auch der Bochumer Kaffee gehört, wurde im Eine-Welt-Forum als Ermutigung für die weitere Arbeit verstanden. Auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt ist der Bochum Kaffee am Stand der Caritas erhältlich und wird dort sehr gut präsentiert. Der Flyer mit den Bochumer Verkaufsstellen des Bochum Kaffee wird überarbeitet und aktualisiert, insbesondere werden die Wattenscheider Verkaufsstellen aufgenommen. Zusätzlich wird ein Faltblatt für WeiterverkäuferInnen mit Bezugsmöglichkeiten, Einkaufspreisen und Bestellformular erstellt.
Wer den Leserkreis dieses Informationsangebotes zur Bochum-Agenda 21 erweitern helfen möchte, der kann den Agenda-Newsletter z.B. mit folgendem Textvorschlag weiterempfehlen:
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