
Heute vor 78 Jahren, Anfang August 1945, bereitete sich ein 30-jähriger Pilot der US-Armee auf einen besonderen Einsatz mit seinem Flugzeug vor. Er sollte eine Bombe von bislang unvorstellbarer Zerstörungskraft abwerfen. In wenigen Minuten sollte die Stadt dem Erdboden gleichgemacht werden und zehntausende Menschen in einem Feuer, das heißer sein sollte als die Sonne, verdampft, verbrannt, vernichtet werden. Auch die Experten waren sich nicht 100% sicher, ob alles „nach Plan“ laufen würde oder ob man nicht eine Kettenreaktion in der Atmosphäre in Gang setzen würde, die die ganze Erdkugel in Brand stecken könnte.
Es hat „nach Plan“ geklappt, nur die Stadt Hiroshima wurde am 6. August vernichtet, nicht der gesamte Globus. Innerhalb einer Sekunde hatte die Explosion 80% der Innenstadt komplett zerstört, 70 – 80 000 Menschen sofort getötet und alles im Umkreis von 10 km in Brand gesetzt. Und das wirklich in einer Sekunde, mit einer Temperatur höher als auf der Sonnenoberfläche. Das war die erste Atombombe, die Menschen vernichtet hat. Das war eine Atombombe, die etwa 14 000 Tonnen TNT entsprach. Heute haben die Atommächte in ihren Arsenalen Atombomben mit einer Sprengkraft von mehr als 130 000 Hiroshimabomben. 130 000 mal Hiroshima, wer kann sich das vorstellen?
Stellt euch einen Kugelschreiberstrich vor, der ist in der Regel 1 mm breit. 1mm, das soll jetzt unsere Hiroshimabombeneinheit sein. 130 000 mal die Sprengkraft der Hiroshimabombe sind dann 130 000 mal 1mm. Das sind 130m! Um es deutlicher zu machen: Wir haben hier 130 m Absperrband, die wir ausrollen. 130 000 mal Hiroshima – und jeder sagt, dass seine Bomben nur zum Schutz vor den Bomben anderen da sind. Aber kann es im Falle eines Atomkrieges einen Schutz geben?
Diese Superbomben verbrennen an ihrem Zielort unsere ganze Zivilisation, unsere Städte, Gärten, Wohnungen, Schulen,Fabriken und nicht zuletzt uns Menschen, egal ob jung oder alt, reich oder arm, links oder rechts, braun, schwarz oder weiss, weiblich, männlich, deuter. Das atomare Feuer verwandelt Heimat und Zuhause in eine riesige Wolke aus Russ und Asche. Die steigt kilometerweit in die Atmosphäre und die darüber liegende Stratosphäre hinauf, wie ein riesiger Pilz, der Atompilz. Lange Zeit werden diese Überreste unseres Lebens rund um den Erdball treiben und die Sonne verdunkeln. Die Temperaturen sinken schlagartig ab, es kommt zu Mißernten und Hungersnöten.
In langjährigen Studien haben Forscher an der Rutgers-Universität in den USA, der NASA und der UNO, berechnet, wie viele Opfer ein Atomkrieg fordern würde, in dem z.B. 500 Atombomben mit je 100 Kt Sprengkraft in Pakistan und Indien eingesetzt werden. Das sind nur 3% des weltweiten Atomwaffenpotentials, und diese Bomben werden zu den sogenannten taktischen Atomwaffen gezählt. Kämen in einem Atomkrieg 3% der Atomwaffen zum Einsatz, dann würde das 3 333 Hiroshimabomben entsprechen und damit 3 333 mm auf unserem Hiroshima-Maßband, das sind 3,33 m.
Sie würden in einem regional begrenzten Atomkrieg zwischen Pakistan und Indien unmittelbar 164 Millionen Menschen töten – so viele Menschen wie in Deutschland, Frankreich und Österreich leben. Sie würden 47 Millionen Tonnen Ruß in die Atmosphäre schleudern, die Temperaturen weltweit würden schlagartig um 6,5 Grad Celsius sinken, auf das Niveau der letzten Eiszeit. Die Nahrungsmittelproduktion auf der ganzen Welt bricht zusammen, Hungersnöte unvorstellbaren Ausmaßes würden ausbrechen. 2,5 Milliarden Menschen, fast jeder dritte Mensch auf der Erde, würde verhungern.
Was können wir tun? Antonio Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, mahnte: Wir müssen Atomwaffen vernichten, bevor sie uns vernichten! Er sprach diese klare Worte auf der Konferenz der Vereinten Nationen zum Atomwaffenverbotsvertrag im Juni 2022 in Wien. Am 22.01.2021 ist ein Vertrag völkerrechtlich verbindlich in Kraft getreten, der die Herstellung, Erprobung, Besitz, Einsatz bzw. die Androhung des Einsatzes, den Transfer und die Stationierung von Atomwaffen verbietet. Er wurde bisher von 92 Staaten unterzeichnet.
Über 600 zivilrechtliche Organisationen wie die Internationale Rote Kreuz und Roter Halbmond Bewegung, Pax Christi, Weltkirchenrat, Opferorganisationen der Atombombenversuche und Atombombenabwürfe, Parlamentarier aus der ganzen Welt, sie alle setzen sich für das Verbot ein. ICAN, die internationale Kampagne zum Verbot von Atomwaffen, erhielt 2017 für ihren Einsatz den Friedensnobelpreis. Auch der Stadtrat Bochums unterstützt den Vertrag. Am 11. Juli 2019 unterzeichnete er den folgenden Appell: Unsere Stadt ist zutiefst besorgt über die immense Bedrohung, die Atomwaffen für Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt darstellen. Wir sind fest überzeugt, dass unsere Einwohnerinnen das Recht auf ein Leben frei von dieser Bedrohung haben…Daher begrüßen wir den…Vertrag zum Verbot von Atomwaffen…und fordern die Bundesregierung zu deren Beitritt auf.
Die Organisation, für die ich hier spreche, ist die IPPNW – die Internationalen Ärzte für die Verhinderung des Atomkrieges. Da eine medizinische Versorgung im Falle eines Atomkrieges nicht mehr zu organisieren ist, kann allein die Verhinderung uns Schutz bieten. Auch wir sehen, wie der Bochumer Stadtrat, in dem Vertrag zum Verbot von Atomwaffen den wichtigsten nächsten Schritt zu einem Leben frei von atomarer Vernichtung. Wir müssen Atomwaffen vernichten, bevor sie uns vernichten! 1985 erhielten wir den Friedensnobelpreis. Bei der Vergabezeremonie fasste der norwegische Laudator unsere Arbeit wie folgt zusammen: Menschen aller Länder, die ihr überleben wollt, vereinigt euch. Denn, wie sagte doch Antonio Guterres:
Wir müssen Atomwaffen vernichten, bevor sie uns vernichten!
03.08.2023