Samstag 25.09.21, 14:15 Uhr
Redebeitrag von Ende Gelände beim Klimastreik am 24.09.2021 in Bochum

Zerstörte Dörfer, grüne Oasen und der Kampf für eine solidarische Welt


Ich möchte euch eine Geschichte erzählen. Von Orten aus dem Rheinland, die wie viele Orte weltweit beispielhaft sind für den Grund, aus dem ich heute hier bin. Vom Hambi – einem Wald, der mal 5.500 Hektar groß war, von dem nicht mehr als ein Zehntel übrig bleiben soll – und den umliegenden Dörfern.

Nicht von belebten Dörfern, in denen es warme Geschäfte, erleuchtete Fenster und blühende Gärten gibt. Sondern von den durch RWE enteigneten, in denen die Türen verrammelt sind und die Fenster zugenagelt. In denen nur noch Brennesseln und Brombeeren wuchern, und in denen es schreit: „Geht weg hier. Hier gibt es kein Leben“ – mehr.
In den letzten 30 Jahren wurden in Deutschland über 300 Dörfer zerstört. Dafür haben mehr als 44.000 Enteignungen mit Zwangsumsiedelungen stattgefunden. Umsiedlungen weg aus den Orten, in denen viele der Menschen aufgewachsen sind, wo sie gelebt und Erinnerungen gesammelt haben. Einige von ihnen wollten dort begraben werden.

Warum sie gehen mussten?

Damit Wälder und Dörfer abgerissen und weggebaggert werden können. Bergrecht vor Menschenrecht, damit Kohlekonzerne und ihre Seilschaften in der Politik, jeglichen wissenschaftlichen Warnungen und globalen Protesten zuwider, weiter fröhlich von der Gesellschaft subventioniert Geld schaufeln können. Nennen wir sie beim Namen. Die Große Kohle Koalition aus SPD, CDU, FDP, AfD. Wenn es um Autobahnen oder Krieg geht, sind die Grünen auch mit dabei. Stichwort Nato – Grüße an Euskirchen und Bochumer Grüne ;-)

„Neben uns die Sintflut“ als alternativloser Politikstil. Schade nur, dass die Physik, das Klima, nicht bestechlich sind. Sich nicht mit lukrativen Posten bei Gas- und Kohlekonzernen nach der Amtszeit bestechen lassen. Die Einschläge der drohenden Klimakatstrophe kommen näher und schneller als gedacht. Das fühlen wir HIER spätestens seit der Dürre 2018,19 und den Flutkatastrophen in diesem Sommer.

Vermutlich kennt ihr sie bereits. Die Geschichte von Zerstörung für Profit. Die Geschichte von Wut und vom Dagegen sein. Wir möchten euch jetzt eine andere Geschichte erzählen.

Vor 20 Jahren wurde Bauer Eckart enteignet und umgesiedelt. Er lebt heute in Lützerath, einem Dorf, das im Herbst für den Tagebau Garzweiler 2 plattgemacht werden soll.

Mit vielen Menschen an seiner Seite ist er entschlossen gegen diesen fortwährenden Wahnsinn zu kämpfen, und den Ort lebenswert zu halten.
Die Geschichte davon, dass Lützi lebt, ist die einer grünen Oase, direkt neben einem Loch, dessen Ausdehnung aus dem WELTALL sichtbar ist. Von einer Oase mit Gemeinschaftsbeeten und -räumen, in der an Baumhäusern und Hütten gewerkelt wird, wo zusammen gekocht werden kann und am Feuer gegessen.

Lützerath und die umliegenden Dörfer werden in die gespenstische Aussicht der Vernichtung gedrängt. Aber sie sind Orte des Lebens und Ausprobierens. Des Widerentdeckens und Zueinanderfindens. Orte, in denen Gewalt verlernt werden kann, und Gemeinschaft erprobt.

Orte, die es gilt, zu verteidigen.

Deshalb wurde von Anwohner*innen, Alle Dörfer bleiben und Klimagerechtigkeitsgruppen die ZAD Rheinland ausgerufen. Zone A Défendre in Anlehnung an den erfolgreichen Widerstand gegen einen Großflughafen in Frankreich. Der, wie ein Tagebau, Symbol eines Systems ist, das kurzfristige Profite vor Menschen stellt. Symbol eines fossilen, ausbeuterischen, entwürdigenden Wirtschaftens. Es gibt neben diesen Orten zahlreiche Beispiele des globalen Kampfes, den wir auch hier führen. Einen Kampf den meist Betroffene führen, den junge Generationen, Menschen aus Inselstaaten und Küstenregionen, Indigene, Arbeiterinnen und viele Weitere führen, die gegen koloniale, rassistische, sexistische und jegliche Ausbeutung kämpfen.

Diesen Kampf müssen wir gemeinsam führen.
Die nächste Geschichte erzählen wir alle gemeinsam.
Die Geschichte von einer Welt, wie sie sein könnte. Einer Welt, die nach Bedürfnissen fragt statt Ergebnisse zu fordern. Die Gemeinschaft sucht statt Konkurrenz zu schüren. Die auf Solidarität baut statt auf Herrschaft.
Denn die Welt, wie sie zu sein scheint, die Art und Weise, wie wir jetzt zusammenleben, in der wir wirtschaften, wird die Klimakrise, und damit verbundene soziale Krisen eskalieren lassen. Lässt sie schon eskalieren, nur dass wir die Konsequenzen hier im Globalen Norden, noch vergleichsweise wenig zu spüren kriegen.

Aber die Grenzen werden HIER überschritten.

1,5 Grad ist nicht irgendeine Zahl. Sie ist eine immer dünner werdende. Sie ist eine Brandmauer, die es gilt zu verteidigen. In Lützerath, da, wo eine Erweiterung des Tagesbaus und das Verbrennen von Kohle diese Brandmauer einreißt.

Es ist unsere Verantwortung, das nicht zu zulassen.

Diese Verantwortung, hört nicht beim Kreuzchen einer Klimawahl auf. Sie fängt dort erst an.

Parteien und die bestehende Ordnung erweisen sich immer wieder als unfähig, Krisen zu bewältigen. Auf den hoch gepriesenen Rechtsstaat wird in der Realität meist gespuckt, nicht nur bei der als illegal geurteilten Hambi Räumung, dem Schwarzbau Datteln Vier, den gewonnenen Klima-Verfassungsklagen… die Liste ist lang.

Veränderung geschieht durch Bewegung. Es braucht den Druck auf der Straße, von uns, von denen die heute hier stehen, und von denen, die es nicht tun. Es braucht den Druck in Tagebauen und auf Bäumen, auf Schienen und überall, in Medien und in den Dörfern.

Also packen wir’s an.

Seid laut. Seid ungehorsam. Alle Dörfer bleiben – weltweit. Damit wir und alle leben können.

Wenn ihr mehr über Lützerath und den Widerstand gegen Braunkohle erfahren wollt, wenn ihr Lust habt, Klimabewegten zu begegnen, Gemütlich eine Limo zu trinken und Snacks zu essen, seid ihr herzlich eingeladen, am 25.09. um 18 Uhr zum Klimatresen ins Soziale Zentrum zu kommen.