Fanny’s and Fanya’s ist eine Initiative, die innerhalb eines Jahres in Bochum ein anarchistisches Zentrum gründen möchte. Das Zentrum soll in der Innenstadt sein, weil sie in die Gesamtgesellschaft wirken will. Gesucht wird also ausdrücklich einen Ort mit schönen, großen Schaufenster, an denen die Menschen vorbeilaufen.
Die Initiative schreibt: »Gleichzeitig wollen wir möglichst viel Distanz zur linken Szene, insbesondere autoritär-marxistischen und linksliberalen Gruppen aufbauen. In Zeiten zunehmender, gesellschaftlicher autoritären Tendenzen von rechts und links(!), wollen wir diesen klar die Perspektive einer herrschaftsfreien Gesellschaft oder Gesellschaften dagegenhalten.
Was soll bei uns anders sein als in der linken Szene?
Wir haben einen klaren anarchistischen Grundkonsens, dass heißt wir stellen uns klar gegen Staat, Kapitalismus und staatliche Politik. Dies beinhaltet auch Nationalismus. Wir positionieren uns gegen Antisemitismus, Rassismus und Feindlichkeit gegen Muslime, genauso wie die Erzählung mensch müsse sich für das Eine oder Andere entscheiden. Wir lehnen alle nationalen Grenzen innerhalb der Festung Europa und außerhalb ab, all kolonialen Besetzungen, alle Formen von Imperialismus, alle Formen von religiöser und ethnischer Unterdrückung, alle Staaten und jede Polizei, ohne Ausnahme.
Teil davon ist ausdrücklich anzuerkennen, dass die Grundlage unsere Gesellschaft das globale Kolonialsystem ist. Verbunden damit streben wir eine post-zivilisatorischen Gesellschaft an, die in allen sinnvollen Bereich deindustrialisiert (z.B. Landwirtschaft) und gleichzeitig reflektiert bestimmte Technologien weiternutzt (wie Teile der modernen Medizin).
Wir verstehen uns als anti-patriarchal und queer, stellen uns gegen Sexarbeiter*innen- und Transfeindlichkeit – wollen Ort sein um Aktionen gegen transfeindliche und sexarbeiter*innenfeindliche Feminst*innen zu planen.
Ein wichtiges Thema ist für uns auch Ableismus u.a. gibt es bisher in Bochum fast keinen selbstorganisierten Räume die rollstuhlzugänglich sind. Wichtig ist für uns das in unserem Zentrum zumindest ein Stockwerk und Toilette barrierearm ist.
Kein Bock haben wir auch darauf unsere Radikalität zu verstecken:
Das heißt wir wollen klar uns Ziel Sozialrevolution, inklusive Beseitigung des Staates nach außen kommunizieren, statt uns aus falscher Scham und Angst vor Repression mit unseren Inhalten zu zurückzuhalten. Wir denken anarchistischen Theorie&Praxis sind unsere Stärke.
Zentraler Teil des Projektes sollen inhaltliche anarchistische Veranstaltungen sein, die es bisher in Bochum fast gar nicht gibt. Jede Woche sollen Vorträge, Workshops oder Filmvorführungen stattfinden. Regelmäßig auch auf Englisch. Weiterer inhaltlicher Bestandteil sind eine Bibliothek und spenden-finanzierte Buchverbreitung.
Aber da wollen wir nicht aufhören: Mindestens einmal die Woche soll es frisches veganes Essen geben, das soll sich insbesondere an Obdachlose und Verkäufer*innen der Geschäfte der Innenstadt richten.
Wenn möglich soll unser Zentrum zwei Stockwerke oder mehrere große Räume haben und so die Möglichkeit eines eigenen ruhigen Rückzugbereiches zum leisen Reden, Bücher lesen, Hörbuch-Hören und einfach entspannen, bieten.
Darüber hinaus haben noch weitere Ideen wie eine Brettspiel- und Rollenspielbibliothek, eine Ecke mit Süßigkeiten, Fertigerrichten und Mikrowelle. Außerdem soll es auch Foodsharing und Getränke geben, aber keinen Alkohol, Drogenkonsum nur vor dem Laden. Alles einkaufte selbstverständlich nur vegan. Darüber hinaus eine Ausstellung zu anarchistische Geschichte in Bochum und Ruhrgebiet, und vielleicht wechselnde Ausstellung zu aktuellen Kämpfen und Geschichte an allen möglichen Orte.
Dabei wollen wir ins unserem Zentrum keine Tausch- und Dienstleistungslogik, dass heißt es soll weder Verkauf noch direkt Spende geben: Wer Geld hat soll es geben, ohne was dafür zu bekommen und wer was braucht muss dafür nicht geben, stattdessen kann für verschiedene Töpfe zum Beispiele neuer Bücher oder Miete gespendet werden.
Du findest unsere Idee toll? Du bist Anarchist*in oder sympathisiert mit Anarchismus? Bist enttäuscht oder abgeschreckt von linken Szene?
Dann werde Teil der Initiative oder Unterstütze uns.
Auf Signal gibt es eine Initiativen Gruppe und eine Newsgruppe (für Unterstützer:innen). Alternativ kannst du uns auch eine Mail an: schreiben. Unseren PGP-Key schicken wir auf Anfrage: fannysandfanyas@riseup.net .
Wir empfehlen den Weg über Signal, weil dieser ohne anyome Mailadresse und Tor/VPN-Nutzung der sicherer Weg ist.
Du kannst uns auch unterstützen indem du diesen Text verbreitet!«
Fragne: Anbetracht das ihr ein (teures) Projekt in der Innenstadt mit einem großen Schaufenster sucht, erscheint es mir, als ob es vor allem auf Außenwirkung geht. Die Innenstadt ist Kommerz. Alles liberalala, alternaive und Systemimmanente hat sich um den Ring angesiedelt. Nett aber nicht emanzipativ: Alsenstraße, Rottstraße, Hernerstraße, Kortumstraße, etc.p.p.. Das Ehrenfeld hat die wenigsten AfD-Stimmen und ist die Hochburg des grünen Kapitalismus und der Gentrifizierung. Hier im pseudolinken Pfurzsofa, wo sich Sprayer und studentische Antifas in Revoluzzerpose schmeißen. Da wollt ihr hin?
Wie wäre es in die abgehängten Stadtteile zu gehen, Stadtteilarbeit zu machen, proletarische Opposition gegen den kapitalistischen Scheiß? Oder ist das hier wieder eine studentische sozial-romantische Initiative, die in Mini-Karrieren mündet?
Warum schließt ihr euch nicht den Kids der Antifa an und trefft euch im sog. Sozialen Zentrum?
Warum benötigt ihr einen eigenen Krall?
Das ist Kosten- und Zeitintensiv und zersiedelt die vorhandenen Strukturen noch mehr. Merkwürdig das jedes Grüppchen seine eigene Scholle braucht.
Da muss aber jemand richtig Geld haben
Alles WischiWaschi?
Eure »Stärke« ist die anarchistische Theorie und Praxis?
Ein Kessel Buntes gut durchgemischt? Bloß nichts vergessen.
Das Problem ist allerdings die »Praxis«.
Ihr beschwert euch über die Linksliberalen, die Dogmatischen und so weiter.
Alle anderen sollen aber »mitgenommen« sein. Eines habt ihr wahrscheinlich übersehen:
Die Mühen der Ebenen.
Am 10.02.1982 wurde in Bochum der Traum eines »anarchstischen, selbstverwalteten Kulturzentrums« in Form der Bo-Fabrik brutal geräumt und abgerissen.
Genau 40 Jahre später haben Protagonisten von damals daran erinnert und begonnen, die real existierenden Bochumer alternativen politischen, unpolitischen, diversen und heterogenen Gruppen der Bochumer Szene erneut zu mobilisieren. Ziel: etwas hier wieder in Bewegung zu setzen, um einen zentralen Ort in der Stadt neu zu begründen und umzusetzen.
Mühsam und zäh hat– erstaunlicherweise – allmählich angefangen etwas sich in dieser Richtung zu entwickeln. Wie aus dem Nichts tauchen auf einmal Bemühungen verschiedener Leute auf, Zusammenschlüsse, Plattformen usw. , die in diese Richtung wollen.
Initiativen wie »Rat von unten«, »Bo-initiativ«, »Bo-aktiv« existieren wieder einmal nebeneinander. Eure käme dazu.
Klug wäre es, bei aller Heterogenität, diese zu bündeln und die nächsten Schritte erstmal gemeinsam zu gehen, anstatt gegeneinander zu agieren.
Graswurzel-Anarchismus bedeutet nämlich auch : Toleranz zu üben.
Ohne gleich übereinander herzufallen. Trotz unterschiedlicher Auffassungen.
Anti-Dogmatismus gilt für alle, die Linksliberalen, die orthodoxen Marxisten, die …usw.
Also sollte der auch bei euch gelten.
Alternativen müssen realisiert werden. Blosse Proklamationen reichen da nicht.
Seht euch bitte um und bringt euch ein. Dann bekommt ihr eher Zuspruch und vielleicht auch eher eine Chance etwas von euren Vorstellungen zu verwirklichen.
Vielleicht ein Lesetipp aus der utopischen Vergangenheit:
Als sich in der alten BundesRepublik ganz viele wirklich radikal auf den Weg gemacht haben ( das war schon in den 70er Jahren…) die »alternative, anarchistische Bibel« der Aussteiger und der Graswurzelbewegung, die sehr, sehr viel in der verkrusteten BRD bewegt und verändert hat, vieles, das euch heute selbstverständlich ist, aber damals hart erkämpft wurde. Frauenrechte, Rechte für Queere, Gleichberechtigung, politische Rechte, Friedensbewegung, AntiAtom usw.usw. Ökologie…alles auf dem Schirm.
>>>>> Der Planet des Ungehorsams, ein kleiner deutschsprachiger Raubdruck einer anarchistischen Utopie-geschichte von Eric Frank Russell , im Original » And then there were None«.
Macht Spass, ist lustig, sehr intelligent und anregend. Gibt’s beim UBU Antiquariat an der Unistrasse.
Solltet ihr einfach mal lesen. Hilft. Garantiert.
Antikapitalistisch, anarchistisch, pazifistisch. Und intelligent.
Volker
Bei all meiner Kritik an den Bochumer Zuständen, halte ich explizit anarchistische Gruppen, Treffpunkte, Strömungen und Bewegungen für richtig und wichtig. Um genau den Unterschied zwischen autoritär-links und libertär-links theoretisch wie praktisch zu skizzieren und exemplarisch vorzuleben. Um sich nicht von liberalen Kräften missbrauchen zu lassen. Für diese Aktionen zu machen, die diese an den mainstream verhökern. Um das zu leben, was man als Utopie leben will – präfigurative Praxis.
Aber bei all den anarchistischen Einzelpersonen und Gruppen, die ich in Deutschland in den letzten 40 Jahren habe erleben dürfen, war ihr Anarchismus eigentlich Libertinage, Ausrede keine gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und machistische Kleinbürgerlichkeit. Das habe ich in anderen Ländern anders erlebt. Deswegen misstraue ich solchen prosaischen Ankündigungen. Vor allem wenn sie anscheinend nicht die lokalen Bedingungen, Ressourcen und Kräfteverhältnisse zu analysieren scheinen.
Aber nichts desto trotz: macht euer Ding!