Im Jahr 1998 wurden im Bochumer Stadtteil Ehrenfeld die Lüderitz-, die Wißmann- und die Petersstraße umbenannt. Es waren Namen von Männern, die nach dem 1. Weltkrieg und dem Verlust der deutschen Kolonien als Helden der deutschen Kolonialpolitik gefeiert wurden. Reinhard Finke dokumentiert in seinem Buch „Carl Peters spricht in Bochum 1904“, einen Vortrag von Peters, der nachdenklich macht, wie es möglich war, dass ein solcher Rassist nach mehr als 50 Jahre nach dem 2. Weltkrieg in Bochum für ehrungswürdig gehalten wurde.
Carl Peters (1856-1918) schuf mit einer Erwerbungsexpedition ohne Zustimmung der Reichsregierung im Jahre 1884 die Grundlage für die Kolonie Deutsch-Ostafrika. Nach dem Scheitern einer Erwerbungsexpedition ins Innere Afrikas gegen den Willen der Reichsregierung in den Jahren 1889/90 trat er in den Kolonialdienst des Reiches ein. 1891 bekam er den Posten eines Reichskommissars am Kilimandscharo, von dem er nach Unstimmigkeiten mit seinem vorgesetzten Gouverneur abberufen und von 1893 bis 1895 noch weiter im Kolonialdienst beschäftigt wurde.
Als Reichskommissar am Kilimandscharo hatte Peters sich ein afrikanisches Mädchen als Konkubine gehalten, deren Verhältnis zu seinem schwarzen Diener er entdeckte und beide daraufhin hängen und ihre Heimatdörfer niederbrennen ließ. Dies wurde öffentlich bekannt und kam 1896 im Reichstag zur Sprache, wo August Bebel als Reichstagsabgeordneter der SPD in der Sache das Wort ergriff. Die Rede vom ‚Hängepeters‘ ging um. Die Ermittlungen eines kaiserlichen Disziplinargerichts führten 1897 zur unehrenhaften Entlassung Peters‘ aus dem Kolonialdienst.
Noch im Jahre 1896 ging Peters nach England, war in Afrika unternehmerisch tätig und kehrte zu Beginn des 1. Weltkrieges nach Deutschland zurück.
Peters kam von England mehrmals nach Deutschland, versuchte den Start einer politischen Karriere und betrieb kolonialpolitische Agitation.
Zur sozusagen amtlich anerkannten Heldengestalt wurde Peters erst durch Straßenbenennungen nach dem 1. Weltkrieg gemacht. Glorifiziert wurde er 1941 in dem Film „Carl Peters“ mit Hans Albers in der Rolle des Titelhelden.
Die Straßenumbenennung im Bochumer Ehrenfeld bedurfte einer langwierigen Überzeugungsarbeit durch die Bochumer Initiative südliches Afrika (BISA), denn Politik und Verwaltung hatten noch nie etwas von einem Carl Peters gehört.*
Bekannt war Peters allerdings in Bochum schon im Jahre 1904. Er hielt vor einem erlauchten Publikum im Saal der Harmonie eine Rede mit kolonialpolitischen Visionen, die nach einer Mitschrift im „Märkischen Sprecher“, dem amtlichen Kreisblatt für den Stadt- und Landkreis Bochum, begrüßt und veröffentlicht wurde, verwahrt im Bochumer Stadtarchiv. Der Tenor der Rede zielt auf eine zukünftige Kolonialpolitik, die sich wirtschaftlich rechnen muss und rassistisch fundiert ist: Die ‚Herren Neger‘ etwa müssten zu mehrjähriger Zwangsarbeit herangezogen werden.
Reinhard Finke hat diese Rede in dem Band „Carl Peters spricht in Bochum 1904“ zugänglich gemacht. Wiedergegeben wird die Druckversion (Dürerfraktur) und dazu das Transkript beigegeben und auch notwendige Erläuterungen. Aufmerksamkeit erfährt dabei auch ein Seitenblick Peters‘ auf das dem Untergang entgegengehende russische Zarenreich.
(Finke, Reinhard. Carl Peters spricht in Bochum (1904) – Eine kolonialpolitische Zukunftsvision im „Märkischen Sprecher“; Bochum: Europäischer Universitätsverlag 2023 (Zeitzeugen Zeitdokument; 42) ISBN 978-3-86515-514-6)
*1920 wurden neu gebaute Straßen nach Adolf Lüderitz, Carl Peters und Hermann von Wißmann benannt.
1997 regt die Bochumer Initiative Südliches Afrika (BISA) an, diese Straßen in Dulcie-September-Straße, Ken-Saro-Wiwa-Straße und Oliver-R.Tambo-Straße umzubenennen.
SPD und Grüne beschlossen dann die Straßen nach Persönlichkeiten des jüdischen Widerstands zu benennen:
Lüderitzstraße in Ottilie-Schoenewald-Straße,
Petersstraße in Else-Hirsch-Straße und
Wißmannstraße in Dr.-Moritz-David-Straße.