Die Sozialberatung Ruhr hat einen ausführlichen Kommentar zur „vollkommen unsinnigen“ Argumentation gegen die Bürgergelderhöhung zum 01.01.2024 veröffentlicht: »Wenn man in diesen Tagen die Nachrichten verfolgt, so beherrscht innenpolitisch ein Thema die Gazetten: Die Bürgergelderhöhung zum 01.01.2024 muss gestoppt werden. Zur Begründung wird dann vorgetragen, dass der Anreiz, nicht zu arbeiten, durch die Erhöhung des Bürgergeldes zu hoch sei, darüber hinaus die Bürgergeldzahlungen einen hohen Anziehungswert für Flüchtlinge haben und das Geld dringend benötigt wird um Haushaltslöcher zu stopfen.
Es stellt sich also die Frage, was von diesen „Argumenten“ zu halten ist. Die Behauptung, das Lohnabstandsgebot sei nicht eingehalten, ist insofern als solches schon äußerst verblüffend, weil es ein solches Lohnabstandsgebot gar nicht gibt. Weder gibt es dieses Lohnabstandsgebot als rechtliche Kodifikation (Gesetz, Verordnung oder ähnliches) noch macht es ansonsten einen Sinn, denn die Mieten bzw. die Nahrungsmittel oder Bekleidungsgegenstände kosten das gleiche, unabhängig davon, ob man Hartz IV-Bezieher ist, zum Mindestlohn arbeitet oder bayerischer Ministerpräsident ist, wobei zu berücksichtigen ist, dass dieser seine Brötchen wahrscheinlich gar nicht selber kaufen muss, sondern diese vom Arbeitgeber sprich vom Land Bayern gestellt werden. Unabhängig davon gibt es keine Preisunterschiede. Dies bedeutet im Ergebnis, dass alle so viel Geld haben müssen, das sie ihre Bedürfnisse abdecken können und insofern ist das Märchen vom Lohnabstand unsinnig. Gleichwohl ist gesetzlich sichergestellt, dass jemand, der Leistungen nach dem SGB II erhält, niemals so viel Geld erhalten kann wie er bekommt wenn er arbeitet. Dies ist gesetzlich ausgeschlossen worden. Verschiedene Medien wie z. B. der Münchner Merkur, Tagesschau oder auch Die Zeit haben sich damit intensiv auseinander gesetzt und sind jeweils zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht möglich ist, zu arbeiten und dann nur das gleiche Geld zu erhalten wie ein Hartz IV-Empfänger.
Die Argumentation ist also vollkommen unsinnig und übersieht schlicht und einfach den Umstand, dass auch Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht mehr arbeiten können, auch leben müssen.
Darüber hinaus soll das Bürgergeld dazu führen, dass in großem Umfang Flüchtlinge ins Land kommen, die eben dieses Bürgergeld haben wollen. Diese von einigen sehr interessierten Kreisen behauptete Sogwirkung ist eine reine Phantasie dieser Autoren und lässt sich empirisch auch nicht im Ansatz nachweisen. Die Flüchtlingsströme aus Mittelamerika in Richtung USA oder die Flüchtlingsströme in Richtung Großbritannien weisen eindeutig in eine andere Richtung. Die Menschen flüchten aus ihren Heimatländern weil dort Krieg herrscht, sie verfolgt werden, weil sie wirtschaftlich nicht mehr über die Runden kommen usw.. Es dürfte auch für Politiker evident sein, dass für den Fall, dass es seit mehreren Jahren nicht mehr geregnet hat eine geordnete Landwirtschaft in Teilen Afrikas einfach nicht mehr möglich ist. Dann muss man dort weggehen, da man dort nur verhungern und verdursten kann.
Im Übrigen sollten bei der Kontroverse, ob Wirtschaftsflüchtlinge aufgenommen sollten, diese Leute sich einfach mal die soziale Zusammensetzung der Deutschen anschauen. Ein großer Teil der Deutschen ist aus beruflichen Gründen nach Deutschland gegangen, z. B. Bergleute ins Ruhrgebiet, die z. B. aus dem heutigen Polen stammen. Diese Wanderungsbewegungen hat es immer schon gegeben und sie wird es auch weiterhin geben, ganz unabhängig davon, ob es Bürgergeld gibt oder nicht. Das Argument ist überhaupt nicht rational und zielt wohl eher darauf ab, Hass gegen einzelne Menschen zu schüren.
Last not least wird als weitere Begründung für die Aussetzung der Erhöhung des Bürgergeldes zum 01.01.2024 vorgetragen, dass dieses Geld dringend benötigt wird um Haushaltslöcher zu stopfen. Wie viel Geld insgesamt im Haushalt fehlt ist – nach den Pressemitteilungen zu urteilen – nicht wirklich klar. Der Betrag schwankt zwischen € 15 Milliarden für 2024 und € 60 Milliarden für irgendwann.
Insofern ist überhaupt nicht nachvollziehbar was eine Aussetzung der Bürgergelderhöhung von ca. € 55,00 für den Bundeshaushalt bringen soll bei nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit ca. 4 Millionen Empfängern von SGB II- Leistungen, die maximal € 55,00 erhalten können. In der Praxis wird es natürlich weniger sein, weil diese € 55,00 sich auf Alleinstehende beziehen: Kinder z. B. erhalten deutlich weniger. Gleichwohl mögen rein schätzungshalber diese € 55,00 zugrunde gelegt werden, dann ergibt sich ein Betrag von etwas über € 2,6 Milliarden im Jahr. Wie dieser Betrag den Haushalt aus der Misere reißen soll ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Dem gegenüber zahlt der Staat im Bereich der Dieselsteuer, des Dienstwagenprivilegs und insbesondere der Kerosinsteuer für Flugzeuge einen Subventionsbetrag von jährlich zwischen € 60 und € 65 Milliarden. Diese Subventionen fördern einen erhöhten Ausstoß von CO2 und sind insofern zur Einhaltung der Klimaziele völlig kontraproduktiv. An diese Beträge will der Staat aber wohl nicht herangehen, da er diejenigen subventioniert, die eh schon über ein hohes Einkommen verfügen und auch in den politischen Parteien sehr präsent sind und insofern ein Interesse an der Beibehaltung ihrer Privilegien haben. Mag das blöde Volk doch diese Subventionen finanzieren.
Darüber hinaus sollte man auch einen Blick auf die Ausgabenseite richten. Ein Großteil der € 60 Milliarden soll zur Industrieförderung ausgegeben werden. Namentlich zu nennen sind dabei die beiden Chipfabriken in Dresden und Magdeburg sowie die Umstellung der Stahlproduktion von Gas auf Wasserstoff. Hierzu ist zunächst einmal festzuhalten, dass die Förderung von Industrieansiedlungen ausgesprochen problematisch ist. Letztendlich fördert sie nicht die jeweilige Volkswirtschaft sondern lediglich die Gewinne der Aktionäre dieser Firmen. Sobald die Subventionen aufgebraucht worden sind werden die Betriebe im Regelfall geschlossen (siehe hierzu Opel oder Nokia in Bochum), um dann in andere Länder zu verschwinden wo es ebenfalls hohe Subventionen gibt.
Nach diesseitiger Auffassung sind dies keine Investitionen in die Zukunft sondern schlicht und einfach Verbrennen von Geld ohne Sinn und Verstand. Im Hinblick auf die Umstellung auf Wasserstoff sei angemerkt, ohne dass wir dies im Detail erläutern wollen, dass in den nächsten 20/30 Jahren nicht genug Wasserstoff produziert werden kann um z. B. die Stahlwerke in Duisburg zu betreiben. Das Ganze ist Augenwischerei und völlig ineffizient, da die Menge Strom, die investiert werden muss um den Wasserstoff herzustellen immens ist und damit der grüne Strom dann nicht z. B. für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung steht. Es bringt im Hinblick auf die Klimakrise gar nichts.
Es stellt sich also die Frage, was soll das Gerede über die Bürgergelderhöhung, wenn es fiskalisch nichts bringt.
Einer der alt hergebrachten Grundsätze der politischen Herrschaft ist von den Römern als „divide et impera“ (teile und herrsche) bezeichnet worden. Indem man die Gesellschaft spaltet und Einzelgruppen gegeneinander aufbringt, wird der Geringverdiener gegen den Hartz IV-Empfänger aufgehetzt, der Geringverdiener und der Hartz IV-Empfänger gegen die Ausländer usw.. Ziel dieser ganzen Maßnahmen ist es, die bestehenden Politstrukturen, aber insbesondere die herrschenden finanziellen Verhältnisse festzuschreiben und dafür Sorge zu tragen, dass die, die etwas haben, auch weiterhin etwas haben und die, die nichts haben, auch weiterhin nichts haben. In diesem Land ist genug für alle da, aber für die Gier einiger weniger wird es niemals ausreichend sein.«