Sonntag 10.09.23, 15:50 Uhr
Vortrag und Diskussionsveranstaltung mit Richard Gebhardt

Der Kulturkampf von rechts und die Soziale Frage


Während es in Bochum stiller um die „Querdenker“ geworden ist, sind in Hattingen noch immer allwöchentliche Demonstrationen und Mahnwachen zu beobachten, bei denen mit volksverhetzenden Parolen einzelne Gesellschaftsgruppen für Probleme wie Inflation und Verarmung verantwortlich gemacht werden. Um mehr über die ideologischen Hintergründe dieser bewegungsorientierten Rechten zu erfahren, laden Lebenshilfe Hattingen e.V. und IFAK e.V. am Mittwoch, dem 13. September Richard Gebhardt zu einem Vortrag und Diskussions nach Hattingen ein.

Im Aufruf heißt es: »Seit Jahren sind die Menschen in den liberalen Demokratien mit wechselnden Krisen konfrontiert. Krisen mit teils globalen Ausmaßen. Die letzten Krisen waren, bzw. sind die großen gesellschaftlichen Herausforderungen über die zahlreichen Menschen, die um 2015 vor Krieg und Verfolgung in Europa Zuflucht suchten, gefolgt von den enormen Belastungen durch die Corona Pandemie und dem administrativen Bemühungen diese einzudämmen, denen nahtlos der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine folgte. Angesichts dieser Tatsachen bewegen die Menschen Verunsicherung, Ohnmachtsgefühle, Abstiegs- und Existenzängste individuell, wie gesellschaftlich mehr denn je.

Gleichzeitig ist ein starkes Anwachsen autoritärer und faschistischer Bewegungen und Parteien europaweit zu beobachten. Diese geben sich oft als Vertreter und Wortführer des „einfachen Volkes“ und des sogenannten „kleinen Mannes“ aus. Sie postulieren eine angeblich dysfunktionale Demokratie, deren politische VertreterInnen nicht mehr in der Lage seien, das Wohl aller zu garantieren. Sie bieten den besorgten Menschen mit rechtspopulistischen Phrasen und Hassparolen eine Gemeinschaft, ein Ventil und ein Ziel: Vermeintliche Stabilität und Sicherheit durch nationale und ethnische Zugehörigkeit. Individuelle, wie kollektive Selbstüberhöhung durch Rassismus, Sozialdarwinismus und Ausgrenzung gegen schwache gesellschaftliche Gruppen. Hin zu einer anti-liberalen, anti-demokratischen Gesellschaftsordnung.

Das Auftreten der Rechten entspricht nicht mehr dem der klassischen „alten Rechten“, sondern orientiert sich an den Ideen der sogenannten „Neuen Rechten“. Hier werden die Ziele verschleiert und vernebelt. Auf einer übergeordneten „Meta-Ebene“ will man den Nährboden für harte antidemokratische Ziele vorbereiten, nimmt Einfluss auf kulturelle Ebenen und Bereiche des Alltagslebens. In einem sogenannten vor-politischen Raum, in Vereinen, auf der Straße, in Medien, usw. versucht man den Diskurs soweit zu manipulieren und nach rechts auszuweiten, bis auch das Undenkbare wieder sagbar und machbar ist.

In Hattingen ist diese Art rechtspopulistischer Politik in Form der allwöchentlichen Demonstrationen und Mahnwachen am Montag und Mittwoch zu beobachten. Die TeilnehmerInnen dieser Kundgebungen beklagen Inflation und Verarmung. Und mit volksverhetzenden Parolen machen sie einzelne Gesellschaftsgruppen dafür schuldig und wollen sie aus dem Land vertreiben. Eine Hetze, die seit Wochen die Partei „Die Grünen“ erfahren muss. Die selbsternannten Gerechtigkeits- und Friedensfreunde deklarieren sich als „wir von unten“ gegen „die da oben“. Sie geben sich als „das (einfache) Volk“ mit dem „gesunden Menschverstand“ aus, die die Bevölkerung vor Inflation und Krieg, vor Reptiloiden, geheimen Weltregierungen, angeblichen „Überfremdung“ und „Umvolkung“, „Chemtrail“ und dem „Ökoterror“ der Klimaaktivistinnen, sowie der „Verweiblichung des Mannes“ und der „Vermischung der Geschlechter“ bewahren wollen. Will man die anti-demokratischen Positionen in dem von Linken und der Friedensbewegung geklauten Parolen-Wirrwarr auf der Straße erkennen, muss man schon genauer hinhören. Und sich mit den Codes der Rechten auskennen. So demonstrierten die „Friedensfreunde“ monatelang mit einem Fronttransparent „Hattingen für Frieden“ durch die Stadt auf dem statt des traditionellen Friedenzeichen die sogenannte Weltesche abgebildet war. Diese Weltenesche, auch Yggdrasil genannt, stammt aus der nordischen Mythologie und ist als Erkennungssymbol bei Frauen aus der rechten Szene beliebt. Auf den Telegram-Seiten der Hattinger „Friedensfreunde“ sind die Bezüge zu antisemitischen, homophoben, rassistischen und faschistischen Inhalten omnipräsent. Ihre Nähe zu rechten bis rechtsradikalen Medien, Gruppen und Parteien gut erkennbar.

Die Kundgebungen der Hattinger „Friedensfreunde“ zählen zu den neuen Formen der rechten Bewegungen, die auf den genannten Kulturkampf setzen und die Verfasstheit der bundesdeutschen Demokratie unterlaufen und einen illiberalen Staat errichten wollen. Als Teil einer bewegungsorientierten Rechten setzt mit ihren Aktionen auf Raumgewinn, Gewöhnung und Normalisierung ihrer Hassparolen und realer Umsetzung ihrer verbalen Gewalt. Sie ist ein Teil des Kulturkampfs von rechts, der die „Soziale Frage“ national beantworten will.

Um mehr über die ideologischen Hintergründe dieser bewegungsorientierten Rechten zu erfahren haben die Lebenshilfe Hattingen e.V. und die IFAK e.V. Richard Gebhardt nach Hattingen eingeladen.
Richard Gebhardt ist Politikwissenschaftler, Publizist und Mitarbeiter bei NRWeltoffen (VHS Aachen). Er stellt in der Veranstaltung die Frage „Für welches „Volk“ spricht der Populismus?“ und untersucht zentrale Fragen:

  • Was ist der populistische Stil?
  • Welche Ideologie bzw. Rhetorik der Ausgrenzung wird hier sichtbar?
  • Welche Rolle spielen Verschwörungsmythen?
  • Welche Bedeutung hat der kulturelle Wandel, welche die soziale Frage?
  • Was heißt eigentlich „Rechtsruck“?
  • Und wie sollen Demokrat*innen auf die gegenwärtigen Herausforderungen von rechts reagieren?

Mi,. 13. September 2023, 18:30 Uhr
Bürgerzentrum Holschentor,
Talstraße 8, 45525 Hattingen

Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder sie von dieser auszuschließen. Dies gilt ebenfalls für die Mitglieder und Organisatoren von Auftritten rechter „Schwurblerveranstaltungen“.«