Samstag 02.09.23, 17:59 Uhr
Wolfgang Dominik, VVN-BdA am Antikriegstag 2013 in Bochum

Was würde mein Herr Jesus dazu sagen?


So, jetzt habe ich eure Aufmerksamkeit! Für viele ist das ein ungewöhnlicher Trigger. Ich bin jetzt 79 Jahre alt. Als Kind habe ich in den Trümmern der Häuser in der Vereinsstr. und der Wattenscheider Straße hier in Bochum gespielt.  Als ungefähr 9-Jähriger habe ich am Volksempfänger meiner Oma die letzten Kämpfe der französischen Fremdenlegionäre in Dien Bien Phu  gehört. Als ich älter wurde, musste ich Abend für Abend in der Tagesschau startende und Bomben werfende B-52 und von us-amerikanischen Napalm-Bomben brennende Menschen, darunter viele Kinder, sehen.

Die Zensur war noch nicht so strikt wie heute durch embedded journalists. Ich studierte evangelische Theologie. Bald lernten wir Martin Niemöller kennen. Er war einer der Kontrahenten Adenauers, als es um Remilitarisierung dieser Republik ging  Niemöller war ein entschiedener Gegner des Völkermords der USA in Vietnam. Seine Lebensmaxime nach der Befreiung vom Faschismus war: Was würde mein Herr Jesus dazu sagen?  Die Älteren hier erinnern sich an den Krefelder Appell. Niemöller war einer der Initiatoren.

Das christliche Abendland bombte nach Vietnam andere Länder in Schutt und Asche, zuletzt  z.B. Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen. Millionen Menschen wurden zerfetzt, verbrannt, zu Flüchtlingen gemacht. Oder von den USA unterstützte Faschisten putschten in Chile – genau vor 50 Jahren. Vielleicht 10.000 Ermordete. Und das hieß dann immer Befreiung. Was würde Niemöllers Jesus dazu sagen?

Zu meinen Zeiten waren bis in die achtziger Jahre  des letzten Jahrhunderts zahlreiche Minister, Bundeskanzler, Bundespräsidenten, Präsidenten der Geheimdienste, fast alle hohen Richter und Staatsanwälte und fast alle Offiziere der neuen Bundeswehr und viele Eigentümer und Manager des deutschen Großkapitals ehemals stramme Faschisten. Die VVN enttarnte damals viele faschistische Verbrecher.

Ich ertrage es nicht, dass – während ich hier spreche – alle 4 Sekunden ein Kind an Hunger stirbt und alle 4 Sekunden die NATO 40.000 Euro für Mordinstrumente, genannt Rüstung, ausgibt. Ich ertrage die Vorstellung nicht, dass über jedem Menschen auf der Erde ein Würfel Dynamit von 3 Metern Kantenlänge an einem seidenen Faden schwebt. Und viele rufen: Der Würfel muss in Deutschland um mindestens 100 Milliarden Euro Dynamit größer werden, dann sind wir sicherer.

Diese Erfahrungen ließen mich in die älteste und größte antifaschistische Organisation VVN-BdA eintreten, deren Ehrenpräsident zu Zeiten meines Eintritts Martin Niemöller war.  Die VVN-BdA  hat die Gründungsformel „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“. Antifaschismus und Antimilitarismus hängen zusammen.  Faschismus und Krieg haben gemeinsame Wurzeln. Der Papst Franziskus und Karl Marx nennen die Wurzeln: Ein Wirtschaftssystem, das tötet.

Ich habe große Angst, dass vielleicht eines Tages gar keine Kinder mehr spielen, auch nicht in Trümmern, weil es keine Kinder mehr gibt. Die Gefahr des Atomkriegs verfolgt mich mein Leben lang. In den NATO-Plänen ist dieser Krieg fest eingeplant. Vielleicht wendet  Russland die Bombe  bei einer Niederlage in der Ukraine an. So oder so: Jetzt ist es 58 Sekunden vor 12.

Ich bin 79 Jahre alt und mache weiter: Vielleicht gibt noch es eine Chance: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Was würde Niemöllers Jesus dazu sagen?

Ich danke euch fürs Zuhören!