Liebe Freund:innen,
in allen Ländern der Welt gibt es Menschen, die es aus Gewissensgründen ablehnen, auf Befehl andere Menschen zu töten. In Deutschland ist das Recht darauf im Grundgesetz festgeschrieben, der Artikel 4.3 existiert seit Gründung der Bundesrepublik, als von einer Wiederbewaffnung noch gar keine Rede war. Das Menschenrechtskomitee, ein Expertengremium, dass die Umsetzung des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte1 überwacht, hat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als Ausdruck des im Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte definierten Rechtes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit anerkannt. Was ist aber konkret in diesem Krieg in der Ukraine?
Russland hat die Bewegung für Kriegsdiensverweigerung als ausländischen Agenten eingestuft.
Das Justizministerium der Russischen Föderation beschuldigt die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung, sie verbreite angeblich falsche Informationen über die Taten, Entscheidungen und die Politik der Regierung und stelle sich außerdem gegen die militärischen Aktionen Russlands in der Ukraine. Für die derzeitige Regierung der Russischen Föderation sind diese Anschuldigungen ausreichend, um die Stigmatisierung der Organisation zu rechtfertigen.
Nach der von Putin verkündeten Teilmobilisierung haben rund 150.000 junge Männer Russland fluchtartig verlassen. Die meisten von ihnen sind in die Türkei, nach Georgien oder Kasachstan geflohen. Die wenigsten haben es nach Deutschland geschafft.
Gerade einmal 2851 Russen haben nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im vergangenen Jahr in Deutschland Asyl beantragt. Von Januar bis April 2023 erreichten das BAMF bereits 2946 Asylgesuche. Eine verschwindend geringe Zahl angesichts der Massen, die Russland nach Kriegsbeginn und insbesondere nach Beginn der Mobilisierung im vergangenen September verlassen haben und seitdem überwiegend in den Nachbarländern ausharren. Russen erhalten keinen automatischen Schutz in der Europäischen Union, und nicht nur das: für russische Männer ist es nahezu unmöglich, ein deutsches Visum zu bekommen. Das deutsche Konsulat in Moskau begründet die Ablehnung mit Zweifeln an der Rückkehrbereitschaft, da sie mobilisiert werden könnten. Klartext: man hält sich potentielle Asylbewerber vom Hals.
Angesichts der milliardenschweren Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet wäre es doch finanziell wesentlich günstiger, diese kampfunwilligen Menschen zu unterstützen. Die militärische Unterstützung der Ukraine (also nicht eingerechnet finanzielle und humanitäre) durch die BRD betrug bis 31.5.2023 7,5 Mrd €, und lag damit auf Platz 2 hinter den USA mit 42,8 und den VK mit 6,6 Milliarden €.
Wievielen Schutzsuchenden könnte man wie lange einen Aufenthalt hier in Saus und Braus finanzieren? Für jeden der bis April hier Asylantragstellenden sind das umgerechnet knapp 1,3 Mio €. Selbst wenn man die bisher geleistete Militärhilfe aufteilen würde unter allen 150.000 jungen Russlandflüchtenden, dann wären das 50 Tausend € für jeden.
Olga Karatch kämpft in Belarus seit Jahren für die Menschenrechte, darunter das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Daher wird sie in ihrem Herkunftsland, wo sie vom Regime als „Terroristin“ bezeichnet wurde, verfolgt und mit der Todesstrafe bedroht. Die litauischen Behörden haben der belarussischen Menschenrechtsverteidigerin Olga Karatch politisches Asyl verweigert.
Die Ukraine hat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt und die Grenze für Männer zwischen 18 und 60 Jahren geschlossen. Trotzdem haben sich mehr als 170.000 Männer der Kriegsbeteiligung in der Ukraine entzogen und sind ins Ausland geflohen.
Unser Freund Yurij Sheliazhenko lebt in Kiew und ist dort aktiv in der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung. Seit dem 15.8. steht er unter Hausarrest. Yurii darf bis zum 11. Oktober zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr des Folgetags das Haus nicht verlassen, außer in Fällen von Luftalarm oder dringender medizinischer Versorgung. Er muss seinen Pass abgeben, jeder Vorladung des Ermittlers, Staatsanwalts, Untersuchungsrichters oder Gerichts Folge leisten und die Kommunikation mit Personen unterlassen, die vom Ermittler als Zeugen benannt wurden. Die Polizei darf die Einhaltung dieser Anordnung bei ihm zu Hause kontrollieren. Außerdem wurden sein Telefon, sein Computer sowie einige Dokumente der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung beschlagnahmt.