Sonntag 19.02.23, 21:10 Uhr
3 Jahre Hanau Gedenkdemonstration am 18.02.2023

Redebeitrag der Migrantifa Bochum


Hanau ist überall – Hanau ist in Bochum, in Dortmund, in Gelsenkirchen. Hanau ist heute in unseren Herzen und in unseren Köpfen. Seit Hanau hat sich einiges verändert – doch gleichzeitig auch nichts. Hanau taucht auf, wenn ich meine Brüder und Schwestern ansehe und merke, dass das was Ferhat, Hamza, Said, Vili, Kaloyan, Fatih, Sedat, Gökhan und Mercedes passiert ist, auch ihnen passieren könnte. Hanau war für einige von uns der Grund für ihre Politisierung. Denn, warum müssen wir uns jetzt 2x überlegen, ob wir wirklich in die Shisha-Bar wollen?


An einem Abend sitzen wir mit unseren Freundinnen in der Shisha-Bar, wir lachen, wir quatschen, wir leben. Doch irgendwann werden wir ganz ruhig – denn eine von uns beginnt zu erzählen, dass sie sich unwohl fühlt und seit Hanau Angst vor solchen Abenden hat. Die Vorstellung, dass Gökhan, Sedat, Said, Mercedes, Hamza, Vili, Fatih, Ferhat und Kaloyan genau so einen Abend hatten – nur mit dem Unterschied, diesen nicht überlebt zu haben. Es tut einem im Herzen weh. Aber hat sich überhaupt irgendwas verändert? Fakt ist, dass wir noch immer gegen Rassismus und Diskriminierung auf die Straße gehen müssen, dass wir noch immer die gleichen Parolen rufen müssen: Denn: Überall Polizei, nirgendwo Gerechtigkeit. Oder „Wo, wo wart ihr in Hanau?“ sind immer aktuell. Leider. Gleichzeitig sind wir trotzdem diejenigen, die auf diesen Demos rassistische Polizeigewalt und Repression befürchten müssen. Diejenigen die Angst haben müssen. Diejenigen, die sich nur im Hintergrund bewegen dürfen. Die als Menschen zweiter Klasse gesehen werden. Wir wollen keine Angst haben. Wir wollen unsere erkämpften Räume nicht aufgeben. Das, was wir wollen ist Gerechtigkeit und lückenlose Aufklärung für die Hinterbliebenen. Nicht einmal das bekommt Deutschland und sein vermeintlicher Rechtsstaat auf die Kette.
Nur dank des gesellschaftlichen Drucks zeigt sich Bewegung in der Aufarbeitung der grausamen Tat in Kesselstadt. Wir sind hier heute einige, die auf die Straßen gehen und laut werden, doch wir sind auch eine Bubble, nur ein Bruchteil derjenigen die etwas tun. Eigentlich sollte es nicht die Aufgabe der Unterdrückten sein, die Unterdrücker, die weiße rassistische Dominanzgesellschaft, zu belehren.
Wir sind nicht diejenigen, die sich tagtäglich mit der Aufklärung von Rassismus auseinandersetzen sollten. Und doch tun wir es, weil es sonst keiner macht. Deshalb appellieren wir hiermit an die weiße Dominanzgesellschaft: Schaut euch um, redet mit Freund:innen und Verwandten, sucht Gespräche, die nicht leicht fallen und greift ein, auch wenn es unangenehm werden könnte. Wir brauchen Verbündete, die sich klar antirassistisch und antifaschistisch positionieren, damit Rassist:innen eine klare Stirn geboten wird. Zieht Lehren aus der faschistischen und grausamen Vergangenheit dieses Landes und brecht 100 Jahre alte Nazistrukturen auf!
Hanau war vor drei Jahren, rassistische Vorfälle und Angriffe sind gestern, heute und werden es auch noch in der Zukunft sein. Deshalb: zeigt verdammt nochmal Widerstand und werdet laut!
Danke.