Dienstag 18.10.22, 14:54 Uhr
Brief der VVN-BdA zu einer Pressemitteilung der Stadt über Benennung des Josef-Anton-Gera-Platzes

Stadt verschweigt Hintergründe der Tat 3


In einer gestrigen Pressemitteilung hatte die Stadt über die Motivation zur Benennung des Josef-Anton-Gera-Platzes geschrieben: „Josef-Anton Gera war Mitte Oktober 1997 wegen seiner Homosexualität tätlich angegriffen worden und an den Folgen seiner erlittenen Verletzungen am 16. Oktober 1997 im Alter von 59 Jahren gestorben.“ Die VVN-dA reagiert nun mit einem Schreiben an die Presseabteilung: »am 14. Oktober 2022 wurde endlich – nach einer langen Zeit der Forderung durch antifaschistische Gruppen aus Bochum – ein Platz in Bochum an der Alleestraße zwischen den Hausnummern 140 und 144 nach Josef Anton Gera benannt.

Waren wir bereits darüber bestürzt, dass es im Vorfeld keinerlei Presseinformation seitens der Stadt Bochum zur Benennung gab, es hätten sich sicherlich interessierte Bürger*innen dazu eingefunden, sind wir nun entsetzt darüber, dass in der Pressemitteilung vom 17. Oktober 2022 Josef Anton Gera wieder einmal nur als ein Opfer einer Gewalttat gegen Homosexuelle dargestellt wird.

Antifaschistische Gruppen und auch die VVN Bochum weisen seit Jahren darauf hin, dass es sich um die Tat von Neofaschisten handelte, die sich in ihrem Umfeld auch mit dieser neofaschistischen Tat rühmend geäußert hatten.

Wir fragen: Warum verschweigt die Presseabteilung der Stadt Bochum den kompletten Hintergrund der Tat?

Wir fordern daher von der Stadt auch in Veröffentlichungen diesen Hintergrund zu benennen und damit anzuerkennen!

Auch wenn auf dem nun am Platz angebrachten Schild Josef Anton Gera als Opfer einer rechten und homofeindlichen Gewalttat benannt wird, ist dies unseres Erachtens nicht ausreichend, da viele Bochumer Bürger*innen nicht die Möglichkeit haben, sich dieses Schild anzuschauen und damit über die tatsächlichen Hintergründe der Tat aufgeklärt werden.

Erfreulich wahrzunehmen ist es, dass die Bezirksbürgermeisterin Gabi Spork (SPD) in ihrer Ansprache die zweifache Bedeutung des neuen Namens für den Platz erwähnte, einerseits als Erinnerung an das Opfer einer Tat von Rechtsradikalen, andererseits als Motivation, sich demokratisch und antirassistisch zu engagieren. Auch Karsten Finke (Grüne) stellte fest, dass die Aktivitäten antifaschistischer Gruppen für die Benennung eines Platzes in Bochum nach Josef Anton Gera so stark waren und der Beschluss der Bezirksvertretung Mitte dadurch unumgänglich war.«


3 Gedanken zu “Stadt verschweigt Hintergründe der Tat

  • Gegen Queerfeindlichkeit

    Ein wichtiger Punkt wird in der Kritik an der öffentlichen Stellungnahme der Stadt leider nicht gesehen. Und selbst im antifaschistischen Gedenken der letzten Jahre ist dieser Punkt immer nur implizit gewesen. Spätestens mit der Botschaft des Bruders von Josef Anton Gera, die bei der Demo am Samstag verlesen wurde (und im anschließenden Bericht dokumentiert wird) wird dies aber eindrücklich klar gemacht: Wir wissen nicht, ob Josef Anton Gera sich als homosexuell identifiziert hat. Wir wissen nur, dass die Motive der Täter faschistisch und homofeindlich waren. In der Presseinformation der Stadt heißt es hingegen: „Josef-Anton Gera war Mitte Oktober 1997 wegen seiner Homosexualität tätlich angegriffen worden“. Damit übernimmt die Stadt unmittelbar die hasserfüllte Projektion der Täter auf ihr Opfer. Dies ist der eigentlich gefährliche Fallstrick für ein Gedenken, dass die Würde von Josef Anton Gera unbeabsichtigt in Mitleidenschaft zieht und in den nächsten Jahren unbedingt deutlicher herausgestellt werden muss. Um es mit den Worten des Bruders zu sagen:

    „Alles was wir wissen sind die Hintergünde seiner Mörder, dieser gedankenlosen Menschen – Rechtsextremismus war die treibende Kraft. Dagegen muss eingestanden werden. Respektiert seine Person und zieht klare Grenzen zwischen ihm und dem wofür ihr einsteht.

    Seid reflektiert und scharfsinnig.“

    hier die ganze Botschaft:
    https://antifabochum.noblogs.org/2022/10/bericht-josef-anton-gera-gedenkdemo-und-aktionstage-2022/

    • ihr habt macht - wir haben die nacht !

      funktionalisierung total !
      ich schließe mich deiner sichtweise an: eine projektion der täter wird übernommen, einen menschen als homosexuellen zu bezeichnen der sich anscheinend nicht zu seiner sexuellen identität geäußert hat. anscheinend nicht gegenüber seinem verwandten (bruder), ebenso nicht gegenüber den tätern.
      opfer rechtsradikaler gewalt aus der LGBTI*-szene gibt es doch genug. da muss man*frau sich doch nicht an einem menschen „abarbeiten“ über dessen sexuelle identität anscheinend wenig bekannt ist. natürlich ist diese tat verabscheuungswürdig, aber doch nicht so, da bekomme ich hörner.
      nun wird es möglicherweise nicht lange dauern bis die nazis sich an dem gedenkschild mithilfe von sprühfarbe verlustigen.
      aber, mich reizt es auch ´mal einen passenden kommentar dort in der nähe des schildes hinzuschreiben. der ganze diskurs wird also spannend bis krotesk bleiben.
      macht den platz bunter !

  • Rolf

    Soviel ich weiss, wollte die Familie nicht, dass der Bruder vereinnahmt wird in einem Kampf gegen LGBT*IQ – Feindlichkeit, das er nicht als Plattform für die berechtigten Interessen von Jugendlichen herhält, die sich darin engagieren. Dass dies hier doch passiert lässt einen nur mit dem Kopf schütteln.

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