Sonntag 06.09.20, 19:18 Uhr
Scientists for Future Bochum präsentieren:

Ein Impulspapier zum Klimanotstand in Bochum


Scientists for Future Bochum stellen vor dem Rathaus ihr Impulspapier vor

Am Freitag hatten Fridays for Future und Students for Future zu einer öffentlichen Pressekonferenz vor dem Rathaus eingeladen. Ein paar Journalist*innen und fast 100 Zuschauer*innen waren gekommen. Zunächst wurde die Initiative „Bochum muss handeln“ vorgestellt. Dies ist ein Zusammenschluss von diversen Unternehmen, Organisationen und Verbänden. Ziel ist es, konkrete „Forderungen konsequent an die Stadt Bochum heran zu tragen und so für deren Umsetzung und einen echten Beitrag Bochums zu Klimagerechtigkeit und der Einhaltung des 1,5 Grad Ziels zu sorgen“. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Präsentation eines „Impulspapiers zum Klimanotstand in Bochum“ der Scientists for Future Bochum. In dem 100-seitigen Papier werden folgende Themen behandelt:

  1. Nachhaltige Entwicklung für ein zukunftsfähiges Bochum

  2. Klimawandel und Treibhausgasemissionen in Bochum

  3. Biologische und ökologische Folgen des Klimawandels

  4. Nachhaltige Energieversorgung

  5. Mobilitätswende

  6. Politische und finanzielle Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Klimanotstandes

Die Kernaussagen dieser Ausarbeitung werden zum Schluss des Papiers auf fünf Seiten zusammengefasst. Bemerkenswert an dieser Studie ist, dass sie nicht eine eingeengte Klimaperspektive verfolgt, sondern der Zielvorgabe der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio zum Leitbild der Untersuchung macht. Die Autor*innen schlagen, vor den Begriff „Sustainable Development Goals“, mit dem die Ziele der Konferenz beschrieben wurden, im Deutschen sinngemäßer durch „zukunftsfähige Entwicklung” statt „nachhaltiger Entwicklung“ zu übersetzen, da “nachhaltig” im allgemeinen Sprachgebrauch in erster Linie im Sinne von „langfristig“ verwendet wird“.
Die Bezugnahme auf diese Ziele bedeutet, dass zunächst die sozialen Entwicklungen in unserer Gesellschaft beleuchtet und die steigende Armut in Bochum thematisiert wird. Im Mittelpunkt der Studie steht eine Bilanz, was klimapolitisch bisher in Bochum passiert ist. Da sind zunächst die Zahlen, die den Klimawandel abbilden und dann die Reaktionen von Politik und Verwaltung und schließlich, was mit den Reaktionen versprochen und in aller Regel nicht umgesetzt wurde.
Die Wissenschaftler*innen kommen zu dem Ergebnis, dass Ziele häufig zu vage formuliert wurden und es bei konkreten Zielen keine Kontrolle gibt, in wie weit Zielvorgaben umgesetzt werden.

Die Autor*innen des Impulspapiers sind sichtlich bemüht, auch kleine Fortschritte und Erfolge in der Bochumer Klimapolitik zu benennen, machen aber deutlich, dass ein tiefgreifendes Umsteuern in der Politik notwendig ist.  Sie betonen die Notwendigkeit einer gemeinsamen Anstrengung von Politik, Verwaltung und Gesellschaft.

Etwas befremdlich für journalistisch arbeitende Menschen ist das Kapitel, in dem das Scheitern des Agenda-Prozesses in Bochum beschrieben wird. Es klingt wie eine Recherche im Jahr 2050, bei der bemängelt wird, wie unzureichend das Ratsinformationssystem, das heute Bürgerinformationssystem heißt, zu der damaligen Zeit war. Viele wichtige Dokumente sind nicht zu finden, Prozesse nicht zu verstehen. Das ist richtig. Aber fast alle Beteiligten und Zeitzeug*innen leben noch und können befragt und um die fehlenden Dokumenten gebeten werden. Das ist offensichtlich nicht passiert.

Wenn es den Wissenschaftler*innen gelingt, in einen Austausch mit der Kommunalpolitik und den außerparlamentarischen Akteur*innen zu kommen, kann das Papier und seine Weiterentwicklung eine wichtige Grundlage für eine andere Politik werden.

Auf jeden Fall ist es in seiner aktuellen Version eine hervorragende Begründung des Forderungskatalogs der Initiative „Bochum muss handeln“.

Das Impulspapier als PDF.